für einander und sanken ohne Laut zusammen und zwischen den verbrüderten Seelen lagen bloß zwei sterbende Körper -- hoch vom Strome der Liebe und Wonne überdeckt, drücken sich auf eine Minute die trunknen Augen zu; und als sie wieder aufgingen, stand die Nacht erhaben mit ihren in ewige Tiefen versunknen Sonnen vor ihnen, die Milchstraße ging als der Ring der Ewigkeit um die Unermeßlichkeit, die scharfe Sichel des Erdenmonds rückte schneidend in die kurzen Tage und Freuden der Menschen. --
Aber in dem was unter den Sonnen stand, was der Ring umzog, was die Sichel angrif, war etwas höher, fester und heller als diese -- es war die unvergängliche Freundschaft in den vergänglichen Hüllen.
Flamin, anstatt durch diesen erschöpfenden Aus¬ druck unsrer sprachlosen Liebe befriedigt zu seyn, wurde jetzt ein bebendes fliegendes Feuer: "Viktor! "in dieser Nacht gieb mir deine Freundschaft auf "ewig und schwöre mir, daß du mich nie in meiner "Liebe zu dir stören willst!" -- O du Guter! ich hab' dir ja längst mein Herz gegeben, aber ich will heute wieder schwören. -- "Und schwöre mir, daß "du mich niemals in Unglück und Verzweiflung stür¬ "zen willst'" -- Flamin! das thut mir zu weh. -- "O ich fleh dich an, schwöre es und hebe deine "Hand auf und versprich mir, daß wenn du mich
fuͤr einander und ſanken ohne Laut zuſammen und zwiſchen den verbruͤderten Seelen lagen bloß zwei ſterbende Koͤrper — hoch vom Strome der Liebe und Wonne uͤberdeckt, druͤcken ſich auf eine Minute die trunknen Augen zu; und als ſie wieder aufgingen, ſtand die Nacht erhaben mit ihren in ewige Tiefen verſunknen Sonnen vor ihnen, die Milchſtraße ging als der Ring der Ewigkeit um die Unermeßlichkeit, die ſcharfe Sichel des Erdenmonds ruͤckte ſchneidend in die kurzen Tage und Freuden der Menſchen. —
Aber in dem was unter den Sonnen ſtand, was der Ring umzog, was die Sichel angrif, war etwas hoͤher, feſter und heller als dieſe — es war die unvergaͤngliche Freundſchaft in den vergaͤnglichen Huͤllen.
Flamin, anſtatt durch dieſen erſchoͤpfenden Aus¬ druck unſrer ſprachloſen Liebe befriedigt zu ſeyn, wurde jetzt ein bebendes fliegendes Feuer: »Viktor! »in dieſer Nacht gieb mir deine Freundſchaft auf »ewig und ſchwoͤre mir, daß du mich nie in meiner »Liebe zu dir ſtoͤren willſt!« — O du Guter! ich hab' dir ja laͤngſt mein Herz gegeben, aber ich will heute wieder ſchwoͤren. — »Und ſchwoͤre mir, daß »du mich niemals in Ungluͤck und Verzweiflung ſtuͤr¬ »zen willſt'« — Flamin! das thut mir zu weh. — »O ich fleh dich an, ſchwoͤre es und hebe deine »Hand auf und verſprich mir, daß wenn du mich
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fuͤr einander und ſanken ohne Laut zuſammen und
zwiſchen den verbruͤderten Seelen lagen bloß zwei
ſterbende Koͤrper — hoch vom Strome der Liebe und
Wonne uͤberdeckt, druͤcken ſich auf eine Minute die
trunknen Augen zu; und als ſie wieder aufgingen,
ſtand die Nacht erhaben mit ihren in ewige Tiefen
verſunknen Sonnen vor ihnen, die Milchſtraße ging
als der Ring der Ewigkeit um die Unermeßlichkeit,
die ſcharfe Sichel des Erdenmonds ruͤckte ſchneidend
in die kurzen Tage und Freuden der Menſchen. —
Aber in dem was unter den Sonnen ſtand, was
der Ring umzog, was die Sichel angrif, war etwas
hoͤher, feſter und heller als dieſe — es war die
unvergaͤngliche Freundſchaft in den vergaͤnglichen
Huͤllen.
Flamin, anſtatt durch dieſen erſchoͤpfenden Aus¬
druck unſrer ſprachloſen Liebe befriedigt zu ſeyn,
wurde jetzt ein bebendes fliegendes Feuer: »Viktor!
»in dieſer Nacht gieb mir deine Freundſchaft auf
»ewig und ſchwoͤre mir, daß du mich nie in meiner
»Liebe zu dir ſtoͤren willſt!« — O du Guter! ich
hab' dir ja laͤngſt mein Herz gegeben, aber ich will
heute wieder ſchwoͤren. — »Und ſchwoͤre mir, daß
»du mich niemals in Ungluͤck und Verzweiflung ſtuͤr¬
»zen willſt'« — Flamin! das thut mir zu weh. —
»O ich fleh dich an, ſchwoͤre es und hebe deine
»Hand auf und verſprich mir, daß wenn du mich
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/85>, abgerufen am 21.12.2024.
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