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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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"liebt -- -- Nein! und wenn ich zu Grunde ginge
"und wenn ich mich nachher nicht mehr trösten
"könnte: so drückte ich mich mit dem unbedeckten
"Herzen und mit dem Bluten aller Wunden und
"zerrinnend und erliegend an den geliebten Men¬
"schen, der mich verlassen müßte und sagte doch: es
"thut mir woh!" -- Kalte egoistische und bequeme
Personen vermeiden das Abschiednehmen so wie un¬
poetische von zu heftigen Empfindungen; weibliche
hingegen, die sich alle Schmerzen durch Sprechen,
und poetische, die sich alle durch Phantasiren mil¬
dern, suchen es.

Um sechs Uhr Abends -- denn es war nur ein
Sprung nach Flachsenfingen -- als das Vieh wie¬
derkam, ging er fort: eskortirt von der ganzen Fa¬
milie. An seinen glücklichern Arm -- meiner muß
sich bloß zum Besten der Wissenschaften bewegen --
war die Brittin und an den linken Agathe angeöhrt;
an die Schwester hatte sich der arme Hauspudel ge¬
schnallet (Appollonia,) welcher gleichwohl dachte, er
berühre und genieße trotz dem schwesterlichen Ein¬
schiebsel und Zwischengeist den Doktor. So fahren
die Funken der Liebe, wie die elektrische und magne¬
tische Materie, durch das Medium von zwanzig da¬
zwischen gestellten Leibern hindurch. Ein Philosoph,
der sich hinsetzt und erwägt, daß unsre Finger im
Grunde der geliebten Seele nicht um einen Daumen

»liebt — — Nein! und wenn ich zu Grunde ginge
»und wenn ich mich nachher nicht mehr troͤſten
»koͤnnte: ſo druͤckte ich mich mit dem unbedeckten
»Herzen und mit dem Bluten aller Wunden und
»zerrinnend und erliegend an den geliebten Men¬
»ſchen, der mich verlaſſen muͤßte und ſagte doch: es
»thut mir woh!« — Kalte egoiſtiſche und bequeme
Perſonen vermeiden das Abſchiednehmen ſo wie un¬
poetiſche von zu heftigen Empfindungen; weibliche
hingegen, die ſich alle Schmerzen durch Sprechen,
und poetiſche, die ſich alle durch Phantaſiren mil¬
dern, ſuchen es.

Um ſechs Uhr Abends — denn es war nur ein
Sprung nach Flachſenfingen — als das Vieh wie¬
derkam, ging er fort: eskortirt von der ganzen Fa¬
milie. An ſeinen gluͤcklichern Arm — meiner muß
ſich bloß zum Beſten der Wiſſenſchaften bewegen —
war die Brittin und an den linken Agathe angeoͤhrt;
an die Schweſter hatte ſich der arme Hauspudel ge¬
ſchnallet (Appollonia,) welcher gleichwohl dachte, er
beruͤhre und genieße trotz dem ſchweſterlichen Ein¬
ſchiebſel und Zwiſchengeiſt den Doktor. So fahren
die Funken der Liebe, wie die elektriſche und magne¬
tiſche Materie, durch das Medium von zwanzig da¬
zwiſchen geſtellten Leibern hindurch. Ein Philoſoph,
der ſich hinſetzt und erwaͤgt, daß unſre Finger im
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[382/0393] »liebt — — Nein! und wenn ich zu Grunde ginge »und wenn ich mich nachher nicht mehr troͤſten »koͤnnte: ſo druͤckte ich mich mit dem unbedeckten »Herzen und mit dem Bluten aller Wunden und »zerrinnend und erliegend an den geliebten Men¬ »ſchen, der mich verlaſſen muͤßte und ſagte doch: es »thut mir woh!« — Kalte egoiſtiſche und bequeme Perſonen vermeiden das Abſchiednehmen ſo wie un¬ poetiſche von zu heftigen Empfindungen; weibliche hingegen, die ſich alle Schmerzen durch Sprechen, und poetiſche, die ſich alle durch Phantaſiren mil¬ dern, ſuchen es. Um ſechs Uhr Abends — denn es war nur ein Sprung nach Flachſenfingen — als das Vieh wie¬ derkam, ging er fort: eskortirt von der ganzen Fa¬ milie. An ſeinen gluͤcklichern Arm — meiner muß ſich bloß zum Beſten der Wiſſenſchaften bewegen — war die Brittin und an den linken Agathe angeoͤhrt; an die Schweſter hatte ſich der arme Hauspudel ge¬ ſchnallet (Appollonia,) welcher gleichwohl dachte, er beruͤhre und genieße trotz dem ſchweſterlichen Ein¬ ſchiebſel und Zwiſchengeiſt den Doktor. So fahren die Funken der Liebe, wie die elektriſche und magne¬ tiſche Materie, durch das Medium von zwanzig da¬ zwiſchen geſtellten Leibern hindurch. Ein Philoſoph, der ſich hinſetzt und erwaͤgt, daß unſre Finger im Grunde der geliebten Seele nicht um einen Daumen

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/393>, abgerufen am 25.11.2024.