Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.-- Und so steht er draussen zwischen Pfarrhaus Der Kaplan machte gerade Butter-Vignetten; — Und ſo ſteht er drauſſen zwiſchen Pfarrhaus Der Kaplan machte gerade Butter-Vignetten; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0367" n="356"/> <p>— Und ſo ſteht er drauſſen zwiſchen Pfarrhaus<lb/> und Schloß mitten im Morgen — alles ſchien ihm<lb/> erſt waͤhrend ſeiner Reiſe gemauert und angeſtrichen<lb/> zu ſeyn — denn alles, was darin wohnte, ſchien<lb/> ſich veraͤndert zu haben nnd machte ihn wehmuͤthig.<lb/> »Die Eltern drinnen (ſagt' er zu ſich) haben keinen<lb/> »Sohn — mein Freund hat keine Geliebte und ich<lb/> »... kein ruhiges Herz.« Da er nun endlich in<lb/> die Wohnung trat und wieder die Tangente des lie¬<lb/> benden Familienzirkels wurde; da er mit theilneh¬<lb/> menden und doch belehrten Augen die zaͤrtlichen<lb/> Taͤuſchungen der Eltern, die grundloſen Hofnungen<lb/> ſeines Freundes und die aufſteigenden gewitterhaften<lb/> Tage anſchauen mußte: ſo ſtand ſein Auge in Einer<lb/> unverruͤckten Thraͤne uͤber die Zukunft und ſie wurde<lb/> nicht kleiner, da ſeine Adoptiv-Mutter ſie durch<lb/> ſympathetiſches Anblicken rechtfertigen wollte. — —<lb/> Zum Theil aber wehte auch dieſer Flor uͤber ſeine<lb/> Seele bloß aus der vorigen Nacht heruͤber, deren<lb/> daͤmmernde Szenen nur durch einen kleinen Zwiſchen¬<lb/> raum aus Schlaf, von ihm geſchieden waren: denn<lb/> eine in Empfindungen verwachte Nacht endigt ſich<lb/> allzeit mit einem ſchwermuͤthigen Vormittag.</p><lb/> <p>Der Kaplan machte gerade Butter-Vignetten;<lb/> ich meine, er ſaͤgte mit keiner andern Aezwiege als<lb/> mit einem Federmeſſer und in keine andre Kupfer¬<lb/> platten als in Kartoffeln, Buchdruckerſtoͤcke und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [356/0367]
— Und ſo ſteht er drauſſen zwiſchen Pfarrhaus
und Schloß mitten im Morgen — alles ſchien ihm
erſt waͤhrend ſeiner Reiſe gemauert und angeſtrichen
zu ſeyn — denn alles, was darin wohnte, ſchien
ſich veraͤndert zu haben nnd machte ihn wehmuͤthig.
»Die Eltern drinnen (ſagt' er zu ſich) haben keinen
»Sohn — mein Freund hat keine Geliebte und ich
»... kein ruhiges Herz.« Da er nun endlich in
die Wohnung trat und wieder die Tangente des lie¬
benden Familienzirkels wurde; da er mit theilneh¬
menden und doch belehrten Augen die zaͤrtlichen
Taͤuſchungen der Eltern, die grundloſen Hofnungen
ſeines Freundes und die aufſteigenden gewitterhaften
Tage anſchauen mußte: ſo ſtand ſein Auge in Einer
unverruͤckten Thraͤne uͤber die Zukunft und ſie wurde
nicht kleiner, da ſeine Adoptiv-Mutter ſie durch
ſympathetiſches Anblicken rechtfertigen wollte. — —
Zum Theil aber wehte auch dieſer Flor uͤber ſeine
Seele bloß aus der vorigen Nacht heruͤber, deren
daͤmmernde Szenen nur durch einen kleinen Zwiſchen¬
raum aus Schlaf, von ihm geſchieden waren: denn
eine in Empfindungen verwachte Nacht endigt ſich
allzeit mit einem ſchwermuͤthigen Vormittag.
Der Kaplan machte gerade Butter-Vignetten;
ich meine, er ſaͤgte mit keiner andern Aezwiege als
mit einem Federmeſſer und in keine andre Kupfer¬
platten als in Kartoffeln, Buchdruckerſtoͤcke und
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