sehr ehrlich noch sehr dumm aussah, die Oberhof¬ meisterin, der Hof-Beichtvater, der Hof-Aeskulap, Damen und Bedienten und alles. Dieser Hofstaat nimmt nicht Abschied -- der ist schon in Geheim genommen -- sondern rekapitulirt ihn blos durch eine stille Verbeugung. Der nächste Schritt aller Welschen war aus dem Mittelzimmer nach -- Italien.
Die Italiener gingen vor Bastians Waarenlager vorbei und wischten aus ihrem Gesicht, dessen feste Theile en haut-relief waren -- die deutschen waren en bas relief, einen edlern Schimmer weg als jener ist, den Höfe geben -- Viktor sah unter so vielen akzentuirten Augenknochen die Zeichen seiner eignen Wehmuth vervielfältigt, die ihn für das willige fremde Herz beklemmte, das allein zurückblieb unter dem frostigen Thron- und Wolkenhimmel der Deut¬ schen, von allen geliebten Sitten und Szenen wegge¬ rissen, mikroskopischen Augen vorgeführt, deren Fo¬ kus in weiche Gefühle sengt und an eine Brust von Eis gebunden. . . .
Als er alles dieses dachte und die Landsleute sah, wie sie einpackten, weil sie kein Wort mehr mit der Fürstin sprechen durften -- und als er wie¬ der die stumme gelenkte Gestalt drinnen ansah, die keine anderen Perlen zeigen durfte als orientali¬ sche (obgleich der Traum und der Besitz der letztern
ſehr ehrlich noch ſehr dumm ausſah, die Oberhof¬ meiſterin, der Hof-Beichtvater, der Hof-Aeſkulap, Damen und Bedienten und alles. Dieſer Hofſtaat nimmt nicht Abſchied — der iſt ſchon in Geheim genommen — ſondern rekapitulirt ihn blos durch eine ſtille Verbeugung. Der naͤchſte Schritt aller Welſchen war aus dem Mittelzimmer nach — Italien.
Die Italiener gingen vor Baſtians Waarenlager vorbei und wiſchten aus ihrem Geſicht, deſſen feſte Theile en haut-relief waren — die deutſchen waren en bas relief, einen edlern Schimmer weg als jener iſt, den Hoͤfe geben — Viktor ſah unter ſo vielen akzentuirten Augenknochen die Zeichen ſeiner eignen Wehmuth vervielfaͤltigt, die ihn fuͤr das willige fremde Herz beklemmte, das allein zuruͤckblieb unter dem froſtigen Thron- und Wolkenhimmel der Deut¬ ſchen, von allen geliebten Sitten und Szenen wegge¬ riſſen, mikroſkopiſchen Augen vorgefuͤhrt, deren Fo¬ kus in weiche Gefuͤhle ſengt und an eine Bruſt von Eis gebunden. . . .
Als er alles dieſes dachte und die Landsleute ſah, wie ſie einpackten, weil ſie kein Wort mehr mit der Fuͤrſtin ſprechen durften — und als er wie¬ der die ſtumme gelenkte Geſtalt drinnen anſah, die keine anderen Perlen zeigen durfte als orientali¬ ſche (obgleich der Traum und der Beſitz der letztern
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ſehr ehrlich noch ſehr dumm ausſah, die Oberhof¬
meiſterin, der Hof-Beichtvater, der Hof-Aeſkulap,
Damen und Bedienten und alles. Dieſer Hofſtaat
nimmt nicht Abſchied — der iſt ſchon in Geheim
genommen — ſondern rekapitulirt ihn blos durch
eine ſtille Verbeugung. Der naͤchſte Schritt aller
Welſchen war aus dem Mittelzimmer nach —
Italien.
Die Italiener gingen vor Baſtians Waarenlager
vorbei und wiſchten aus ihrem Geſicht, deſſen feſte
Theile en haut-relief waren — die deutſchen waren
en bas relief, einen edlern Schimmer weg als jener
iſt, den Hoͤfe geben — Viktor ſah unter ſo vielen
akzentuirten Augenknochen die Zeichen ſeiner eignen
Wehmuth vervielfaͤltigt, die ihn fuͤr das willige
fremde Herz beklemmte, das allein zuruͤckblieb unter
dem froſtigen Thron- und Wolkenhimmel der Deut¬
ſchen, von allen geliebten Sitten und Szenen wegge¬
riſſen, mikroſkopiſchen Augen vorgefuͤhrt, deren Fo¬
kus in weiche Gefuͤhle ſengt und an eine Bruſt von
Eis gebunden. . . .
Als er alles dieſes dachte und die Landsleute
ſah, wie ſie einpackten, weil ſie kein Wort mehr
mit der Fuͤrſtin ſprechen durften — und als er wie¬
der die ſtumme gelenkte Geſtalt drinnen anſah, die
keine anderen Perlen zeigen durfte als orientali¬
ſche (obgleich der Traum und der Beſitz der letztern
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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