ander ganz nahe und es kömmt jetzt alles darauf an, daß der Seidenstrang, den ich im ersten Akt über die Stube gespannt, anfange zu wirken: denn die Gränzverrückung und Völkermischung zweier so naher Länder, Deutsch- und Welschlands wäre in Einem Zimmer fast so unvermeidlich wie in einer päbstli¬ chen Gehirnkammer, hätten wir den Strang nicht -- aber den haben wir und dieser thut zwei zusammengerinnende Völkerschaften so gut auseinan¬ der, daß es nur Jammer und Schade ist -- die Ehrlichkeit hat den größten -- daß die deutschen Kabinetter keinen solchen Sperrstrick zwischen sich und die italienischen hingezogen haben; und kams denn nicht auf sie an, wo sie den Strick anlegen wollten, am Fußboden, oder an welschen Händen, oder an welschen Hälsen? --
Wenn die englische allgemeine Weltgeschichte und ihr deutscher Auszug einmal die Zeit so nahe einge¬ holet haben, daß sie das Jahr dieser Uebergabe vor¬ nehmen und erzählen und unter andern das bemerken können, daß die Prinzessin nach dem Eintritt sich setzte in den Sammtsessel: so sollte die Weltge¬ schichte den Autor zitiren, aus dem sie schöpft -- mich. . . . Das war der zweite Akt und er war sehr gut und nicht so wol komisch als erhaben.
Dritter Akt. Darin wird blos gesprochen. Ein Hof ist das Parloir oder Sprachzimmer des
ander ganz nahe und es koͤmmt jetzt alles darauf an, daß der Seidenſtrang, den ich im erſten Akt uͤber die Stube geſpannt, anfange zu wirken: denn die Graͤnzverruͤckung und Voͤlkermiſchung zweier ſo naher Laͤnder, Deutſch- und Welſchlands waͤre in Einem Zimmer faſt ſo unvermeidlich wie in einer paͤbſtli¬ chen Gehirnkammer, haͤtten wir den Strang nicht — aber den haben wir und dieſer thut zwei zuſammengerinnende Voͤlkerſchaften ſo gut auseinan¬ der, daß es nur Jammer und Schade iſt — die Ehrlichkeit hat den groͤßten — daß die deutſchen Kabinetter keinen ſolchen Sperrſtrick zwiſchen ſich und die italieniſchen hingezogen haben; und kams denn nicht auf ſie an, wo ſie den Strick anlegen wollten, am Fußboden, oder an welſchen Haͤnden, oder an welſchen Haͤlſen? —
Wenn die engliſche allgemeine Weltgeſchichte und ihr deutſcher Auszug einmal die Zeit ſo nahe einge¬ holet haben, daß ſie das Jahr dieſer Uebergabe vor¬ nehmen und erzaͤhlen und unter andern das bemerken koͤnnen, daß die Prinzeſſin nach dem Eintritt ſich ſetzte in den Sammtſeſſel: ſo ſollte die Weltge¬ ſchichte den Autor zitiren, aus dem ſie ſchoͤpft — mich. . . . Das war der zweite Akt und er war ſehr gut und nicht ſo wol komiſch als erhaben.
Dritter Akt. Darin wird blos geſprochen. Ein Hof iſt das Parloir oder Sprachzimmer des
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ander ganz nahe und es koͤmmt jetzt alles darauf an,
daß der Seidenſtrang, den ich im erſten Akt uͤber
die Stube geſpannt, anfange zu wirken: denn die
Graͤnzverruͤckung und Voͤlkermiſchung zweier ſo naher
Laͤnder, Deutſch- und Welſchlands waͤre in Einem
Zimmer faſt ſo unvermeidlich wie in einer paͤbſtli¬
chen Gehirnkammer, haͤtten wir den Strang
nicht — aber den haben wir und dieſer thut zwei
zuſammengerinnende Voͤlkerſchaften ſo gut auseinan¬
der, daß es nur Jammer und Schade iſt — die
Ehrlichkeit hat den groͤßten — daß die deutſchen
Kabinetter keinen ſolchen Sperrſtrick zwiſchen ſich
und die italieniſchen hingezogen haben; und kams
denn nicht auf ſie an, wo ſie den Strick anlegen
wollten, am Fußboden, oder an welſchen Haͤnden,
oder an welſchen Haͤlſen? —
Wenn die engliſche allgemeine Weltgeſchichte und
ihr deutſcher Auszug einmal die Zeit ſo nahe einge¬
holet haben, daß ſie das Jahr dieſer Uebergabe vor¬
nehmen und erzaͤhlen und unter andern das bemerken
koͤnnen, daß die Prinzeſſin nach dem Eintritt ſich
ſetzte in den Sammtſeſſel: ſo ſollte die Weltge¬
ſchichte den Autor zitiren, aus dem ſie ſchoͤpft —
mich. . . . Das war der zweite Akt und er war
ſehr gut und nicht ſo wol komiſch als erhaben.
Dritter Akt. Darin wird blos geſprochen.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/264>, abgerufen am 22.11.2024.
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