-- oder Kriege -- oder recht gute Anstalten machen blos aus verdammter langer -- -- Weile, dieser Essigmutter aller Laster und Tugenden, die unter Hermelinen und Ordenssternen vorgucken. Nichts ist ein größerer Beweis der allgemein wachsenden Verfeinerung als die allgemein wachsende Langeweile -- Sogar die Damen machen sich hundertmal aus bloßer platter Langeweile -- Kurzweile: und der ge¬ scheuteste Mensch sagt seine meisten Betisen und der beste seine meisten Verläumdungen blos einem Zirkel, der ihn hinlänglich zu ennuiren weiß.
Der Hofjunker war der Musterschreiber des Ka¬ binets, um vielleicht herumzugehen. Viktor that ihm Unrecht durch die medizinische Vermuthung, er affektire einen gewissen schwankenden weichen Gang vornehmer Debauche's: denn er hatt' ihn wirklich, und das darum, weil er aus ganz andern als Viktors transzendenten Gründen ungern -- saß. Aber weiter! Wenn nicht die Kammerherrin den Vorhang vor Viktors Seele aus einander schlagen und darin die Gesinnungen, gegen sich und Klotilde durch den Schrecken, den ich erzählen will, erfor¬ schen wollte: wenns also das nicht war: so kann es nichts als ein sehr böser Geist gewesen seyn, der die¬ ser Kammerherrin die Hand führte zu einer Silber¬ stufe. Hinter der Stufe lag eine vielleicht von ab¬
— oder Kriege — oder recht gute Anſtalten machen blos aus verdammter langer — — Weile, dieſer Eſſigmutter aller Laſter und Tugenden, die unter Hermelinen und Ordensſternen vorgucken. Nichts iſt ein groͤßerer Beweis der allgemein wachſenden Verfeinerung als die allgemein wachſende Langeweile — Sogar die Damen machen ſich hundertmal aus bloßer platter Langeweile — Kurzweile: und der ge¬ ſcheuteſte Menſch ſagt ſeine meiſten Betiſen und der beſte ſeine meiſten Verlaͤumdungen blos einem Zirkel, der ihn hinlaͤnglich zu ennuiren weiß.
Der Hofjunker war der Muſterſchreiber des Ka¬ binets, um vielleicht herumzugehen. Viktor that ihm Unrecht durch die mediziniſche Vermuthung, er affektire einen gewiſſen ſchwankenden weichen Gang vornehmer Debauché's: denn er hatt' ihn wirklich, und das darum, weil er aus ganz andern als Viktors transzendenten Gruͤnden ungern — ſaß. Aber weiter! Wenn nicht die Kammerherrin den Vorhang vor Viktors Seele aus einander ſchlagen und darin die Geſinnungen, gegen ſich und Klotilde durch den Schrecken, den ich erzaͤhlen will, erfor¬ ſchen wollte: wenns alſo das nicht war: ſo kann es nichts als ein ſehr boͤſer Geiſt geweſen ſeyn, der die¬ ſer Kammerherrin die Hand fuͤhrte zu einer Silber¬ ſtufe. Hinter der Stufe lag eine vielleicht von ab¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0193"n="182"/>— oder Kriege — oder recht gute Anſtalten machen<lb/>
blos aus verdammter langer —— Weile, dieſer<lb/><hirendition="#g">Eſſigmutter</hi> aller Laſter und Tugenden, die unter<lb/>
Hermelinen und Ordensſternen vorgucken. Nichts<lb/>
iſt ein groͤßerer Beweis der allgemein wachſenden<lb/>
Verfeinerung als die allgemein <hirendition="#g">wachſende</hi> Langeweile<lb/>— Sogar die Damen machen ſich hundertmal aus<lb/>
bloßer platter Langeweile — Kurzweile: und der ge¬<lb/>ſcheuteſte Menſch ſagt ſeine meiſten Betiſen und der<lb/>
beſte ſeine meiſten Verlaͤumdungen blos einem Zirkel,<lb/>
der ihn hinlaͤnglich zu ennuiren weiß.</p><lb/><p>Der Hofjunker war der Muſterſchreiber des Ka¬<lb/>
binets, um vielleicht herumzugehen. Viktor that<lb/>
ihm Unrecht durch die mediziniſche Vermuthung, er<lb/>
affektire einen gewiſſen <hirendition="#g">ſchwankenden</hi> weichen<lb/><hirendition="#g">Gang</hi> vornehmer Debauch<hirendition="#aq">é</hi>'s: denn er <hirendition="#g">hatt</hi>' ihn<lb/>
wirklich, und das darum, weil er aus ganz andern<lb/>
als Viktors transzendenten Gruͤnden ungern —<hirendition="#g">ſaß</hi>.<lb/>
Aber weiter! Wenn nicht die Kammerherrin den<lb/>
Vorhang vor Viktors Seele aus einander ſchlagen<lb/>
und darin die Geſinnungen, gegen ſich und Klotilde<lb/>
durch den Schrecken, den ich erzaͤhlen will, erfor¬<lb/>ſchen wollte: wenns alſo das nicht war: ſo kann es<lb/>
nichts als ein ſehr boͤſer Geiſt geweſen ſeyn, der die¬<lb/>ſer Kammerherrin die Hand fuͤhrte zu einer Silber¬<lb/>ſtufe. Hinter der Stufe lag eine vielleicht von ab¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0193]
— oder Kriege — oder recht gute Anſtalten machen
blos aus verdammter langer — — Weile, dieſer
Eſſigmutter aller Laſter und Tugenden, die unter
Hermelinen und Ordensſternen vorgucken. Nichts
iſt ein groͤßerer Beweis der allgemein wachſenden
Verfeinerung als die allgemein wachſende Langeweile
— Sogar die Damen machen ſich hundertmal aus
bloßer platter Langeweile — Kurzweile: und der ge¬
ſcheuteſte Menſch ſagt ſeine meiſten Betiſen und der
beſte ſeine meiſten Verlaͤumdungen blos einem Zirkel,
der ihn hinlaͤnglich zu ennuiren weiß.
Der Hofjunker war der Muſterſchreiber des Ka¬
binets, um vielleicht herumzugehen. Viktor that
ihm Unrecht durch die mediziniſche Vermuthung, er
affektire einen gewiſſen ſchwankenden weichen
Gang vornehmer Debauché's: denn er hatt' ihn
wirklich, und das darum, weil er aus ganz andern
als Viktors transzendenten Gruͤnden ungern — ſaß.
Aber weiter! Wenn nicht die Kammerherrin den
Vorhang vor Viktors Seele aus einander ſchlagen
und darin die Geſinnungen, gegen ſich und Klotilde
durch den Schrecken, den ich erzaͤhlen will, erfor¬
ſchen wollte: wenns alſo das nicht war: ſo kann es
nichts als ein ſehr boͤſer Geiſt geweſen ſeyn, der die¬
ſer Kammerherrin die Hand fuͤhrte zu einer Silber¬
ſtufe. Hinter der Stufe lag eine vielleicht von ab¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/193>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.