ein Mundstück auf ein so närrisch gewundnes Instru¬ ment wie Viktor aufzuschrauben sey. Wie alle Stu¬ dierstuben-Schaalthiere sprach er lieber von Sachen als Personen; Flamin aber umgekehrt. Für das Ehepaar gabs in keiner Messiade etwas erhabeners als daß jetzt am Johannistage die italienische Prin¬ zessin kommen würde: davon konnte kein Sterblicher genug reden, zumal auf dem Dorfe. Ich weiß nicht, worin es Viktor versah, daß er die meisten Weiber auf die Meinung brachte, er liebe sie. Genug die Kammerherrin, die in ihren Jahren nicht mehr Lie¬ be sondern den Schein der Liebe foderte, dachte: "vielleicht!" Man verkenne sie nicht: sie brachte zwar allemal die erste Stunde mit einem Manne auf dem Observatorium zu; aber die zweite nur dann im Jagdschirm, wenn die erste glücklich ge¬ wesen und sie war kalt genug, um nicht mehr zu hoffen als zu sehen: sie verspottete sogar jeden, der bei ihr noch einer weiblichen Eitelkeit, Eroberungen zu leicht vorauszusetzen, anders schmeicheln wollte als öffentlich. Genug sie beurtheilte heute un¬ sern Viktor zu günstig -- in ihrem Sinn, -- oder zu ungünstig -- in unserem; -- wie überhaupt die bloßen Hofleute nur bloße Hofleute errathen. -- -- Von Klotilde sprach man kein Wort, nicht einmal von der Zeit ihrer Zurückkehr.
Ueber¬
ein Mundſtuͤck auf ein ſo naͤrriſch gewundnes Inſtru¬ ment wie Viktor aufzuſchrauben ſey. Wie alle Stu¬ dierſtuben-Schaalthiere ſprach er lieber von Sachen als Perſonen; Flamin aber umgekehrt. Fuͤr das Ehepaar gabs in keiner Meſſiade etwas erhabeners als daß jetzt am Johannistage die italieniſche Prin¬ zeſſin kommen wuͤrde: davon konnte kein Sterblicher genug reden, zumal auf dem Dorfe. Ich weiß nicht, worin es Viktor verſah, daß er die meiſten Weiber auf die Meinung brachte, er liebe ſie. Genug die Kammerherrin, die in ihren Jahren nicht mehr Lie¬ be ſondern den Schein der Liebe foderte, dachte: »vielleicht!« Man verkenne ſie nicht: ſie brachte zwar allemal die erſte Stunde mit einem Manne auf dem Obſervatorium zu; aber die zweite nur dann im Jagdſchirm, wenn die erſte gluͤcklich ge¬ weſen und ſie war kalt genug, um nicht mehr zu hoffen als zu ſehen: ſie verſpottete ſogar jeden, der bei ihr noch einer weiblichen Eitelkeit, Eroberungen zu leicht vorauszuſetzen, anders ſchmeicheln wollte als oͤffentlich. Genug ſie beurtheilte heute un¬ ſern Viktor zu guͤnſtig — in ihrem Sinn, — oder zu unguͤnſtig — in unſerem; — wie uͤberhaupt die bloßen Hofleute nur bloße Hofleute errathen. — — Von Klotilde ſprach man kein Wort, nicht einmal von der Zeit ihrer Zuruͤckkehr.
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ein Mundſtuͤck auf ein ſo naͤrriſch gewundnes Inſtru¬
ment wie Viktor aufzuſchrauben ſey. Wie alle Stu¬
dierſtuben-Schaalthiere ſprach er lieber von Sachen
als Perſonen; Flamin aber umgekehrt. Fuͤr das
Ehepaar gabs in keiner Meſſiade etwas erhabeners
als daß jetzt am Johannistage die italieniſche Prin¬
zeſſin kommen wuͤrde: davon konnte kein Sterblicher
genug reden, zumal auf dem Dorfe. Ich weiß nicht,
worin es Viktor verſah, daß er die meiſten Weiber
auf die Meinung brachte, er liebe ſie. Genug die
Kammerherrin, die in ihren Jahren nicht mehr Lie¬
be ſondern den Schein der Liebe foderte, dachte:
»vielleicht!« Man verkenne ſie nicht: ſie brachte
zwar allemal die erſte Stunde mit einem Manne
auf dem Obſervatorium zu; aber die zweite nur
dann im Jagdſchirm, wenn die erſte gluͤcklich ge¬
weſen und ſie war kalt genug, um nicht mehr zu
hoffen als zu ſehen: ſie verſpottete ſogar jeden, der
bei ihr noch einer weiblichen Eitelkeit, Eroberungen
zu leicht vorauszuſetzen, anders ſchmeicheln wollte
als oͤffentlich. Genug ſie beurtheilte heute un¬
ſern Viktor zu guͤnſtig — in ihrem Sinn, — oder
zu unguͤnſtig — in unſerem; — wie uͤberhaupt die
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/187>, abgerufen am 24.11.2024.
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