Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.ihr noch glücklicher wäret als ich -- Am reinen ge¬ Ach was müssen wir nicht alle schon verlohren Viktor verdankte die Sieste seines Herzens den Wissenschaften, besonders der Dichtkunst und ihr noch gluͤcklicher waͤret als ich — Am reinen ge¬ Ach was muͤſſen wir nicht alle ſchon verlohren Viktor verdankte die Sieſte ſeines Herzens den Wiſſenſchaften, beſonders der Dichtkunſt und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0177" n="166"/> ihr noch gluͤcklicher waͤret als ich — Am reinen ge¬<lb/> ſunden ſtillen Herzen ſchließen ſich wie an den ho¬<lb/> meriſchen Goͤttern leichte Wunden ſogleich zu —<lb/> »Nein« (ſagſt du immerfort in der Sabbathswoche)<lb/> »ich muß mich noch einige Tage ſo ruhig erhalten.«<lb/> — Du verlangſt zum Stoff der Freude faſt nichts<lb/> als Exiſtenz, ja der Sonnenſtich einer Entzuͤckung<lb/> wurde dieſen kuͤhlen magiſchen transparenten Mor¬<lb/> gen-Nebel in ein Gewitter verdichten — Du ſiehſt<lb/> immerfort hinauf ins Blaue als moͤchteſt du denken<lb/> und weinen, und herum auf der Erde als wollteſt<lb/> du ſagen: »wo ich heute waͤre da waͤre ich gluͤck¬<lb/> »lich« und das Herz voll ſchlafender Stuͤrme traͤgſt du<lb/> wie die Mutter das entſchlummerte Kind, ſcheu und<lb/> behutſam uͤber die weichen Blumen der Freude —<lb/> — Aber die Stuͤrme fahren doch auf und greifen<lb/> nach dem Herzen! . . .</p><lb/> <p>Ach was muͤſſen wir nicht alle ſchon verlohren<lb/> haben, wenn uns die Gemaͤlde ſeliger Tage nichts<lb/> abgewinnen als Seufzer? O Ruhe, Ruhe, du Abend<lb/> der Seele, du ſtiller Heſperus des muͤden Herzens,<lb/> der allezeit neben der Sonne der Tugend bleibt —<lb/> wenn unſer Inneres ſchon vor deinem ſanften Na¬<lb/> men in Thraͤnen zerrinnt: ach iſt das nicht ein Zei¬<lb/> chen, daß wir dich ſuchen aber nicht haben? —</p><lb/> <p>Viktor verdankte die Sieſte ſeines Herzens den</p><lb/> <p>Wiſſenſchaften, beſonders der <hi rendition="#g">Dichtkunſt</hi> und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0177]
ihr noch gluͤcklicher waͤret als ich — Am reinen ge¬
ſunden ſtillen Herzen ſchließen ſich wie an den ho¬
meriſchen Goͤttern leichte Wunden ſogleich zu —
»Nein« (ſagſt du immerfort in der Sabbathswoche)
»ich muß mich noch einige Tage ſo ruhig erhalten.«
— Du verlangſt zum Stoff der Freude faſt nichts
als Exiſtenz, ja der Sonnenſtich einer Entzuͤckung
wurde dieſen kuͤhlen magiſchen transparenten Mor¬
gen-Nebel in ein Gewitter verdichten — Du ſiehſt
immerfort hinauf ins Blaue als moͤchteſt du denken
und weinen, und herum auf der Erde als wollteſt
du ſagen: »wo ich heute waͤre da waͤre ich gluͤck¬
»lich« und das Herz voll ſchlafender Stuͤrme traͤgſt du
wie die Mutter das entſchlummerte Kind, ſcheu und
behutſam uͤber die weichen Blumen der Freude —
— Aber die Stuͤrme fahren doch auf und greifen
nach dem Herzen! . . .
Ach was muͤſſen wir nicht alle ſchon verlohren
haben, wenn uns die Gemaͤlde ſeliger Tage nichts
abgewinnen als Seufzer? O Ruhe, Ruhe, du Abend
der Seele, du ſtiller Heſperus des muͤden Herzens,
der allezeit neben der Sonne der Tugend bleibt —
wenn unſer Inneres ſchon vor deinem ſanften Na¬
men in Thraͤnen zerrinnt: ach iſt das nicht ein Zei¬
chen, daß wir dich ſuchen aber nicht haben? —
Viktor verdankte die Sieſte ſeines Herzens den
Wiſſenſchaften, beſonders der Dichtkunſt und
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