rock knapper an -- schüttelte etwas aus dem Auge -- that einen bleirechten Sprung -- schnellte ein "Nein!" hervor und sagte mit einem unaussprech¬ lich heitern Lächeln: "Nein! ich will meinen Flamin "nicht betrügen! Ich will sie weder suchen noch "meiden und ihre Freundschaft nicht eher begehren "als zur Zeit seines höchsten Glücks. Wie dich "da *)so will ich die himmlische Glanzbüste anblik¬ "ken und nicht begehren, daß sie Wärme aunehme "und das kalte Gypsauge auf mich wende. Aber "du, mein Freund, sey glücklich und ganz seelig und "merke nicht einmal meinen Kampf!"
Jetzt empfand er den Kirchenschmuck des Mor¬ gens und die Morgenluft floß wie ein kühles Hals¬ gehenk auf seinem heißen Busen umher und legte spielend Haar und Busenstreif zurück. Er fühlte, jetzt sey er werth, an Emanuel geschrieben, und an den Himmel geschauet zu haben. . . .
Flamin trat ein mit einiger Kälte, die vom er¬ blickten Brief noch ein wenig stieg. Viktor war nicht kalt zu machen; blos als man unten ihn mit keinem Wort an seine gestrigen Dithyramben erin¬ nerte: that er aus Besorgniß errathen zu seyn, einen zornigen versteckten Schwur, wenn sie käme, nicht
*) Die Büste des Vatikanischen Appollo, an der er keine an¬ dre Gestalt bilden lernen wollte als seine eigne.
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rock knapper an — ſchuͤttelte etwas aus dem Auge — that einen bleirechten Sprung — ſchnellte ein »Nein!« hervor und ſagte mit einem unausſprech¬ lich heitern Laͤcheln: »Nein! ich will meinen Flamin »nicht betruͤgen! Ich will ſie weder ſuchen noch »meiden und ihre Freundſchaft nicht eher begehren »als zur Zeit ſeines hoͤchſten Gluͤcks. Wie dich »da *)ſo will ich die himmliſche Glanzbuͤſte anblik¬ »ken und nicht begehren, daß ſie Waͤrme aunehme »und das kalte Gypsauge auf mich wende. Aber »du, mein Freund, ſey gluͤcklich und ganz ſeelig und »merke nicht einmal meinen Kampf!«
Jetzt empfand er den Kirchenſchmuck des Mor¬ gens und die Morgenluft floß wie ein kuͤhles Hals¬ gehenk auf ſeinem heißen Buſen umher und legte ſpielend Haar und Buſenſtreif zuruͤck. Er fuͤhlte, jetzt ſey er werth, an Emanuel geſchrieben, und an den Himmel geſchauet zu haben. . . .
Flamin trat ein mit einiger Kaͤlte, die vom er¬ blickten Brief noch ein wenig ſtieg. Viktor war nicht kalt zu machen; blos als man unten ihn mit keinem Wort an ſeine geſtrigen Dithyramben erin¬ nerte: that er aus Beſorgniß errathen zu ſeyn, einen zornigen verſteckten Schwur, wenn ſie kaͤme, nicht
*) Die Buͤſte des Vatikaniſchen Appollo, an der er keine an¬ dre Geſtalt bilden lernen wollte als ſeine eigne.
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rock knapper an — ſchuͤttelte etwas aus dem Auge
— that einen bleirechten Sprung — ſchnellte ein
»Nein!« hervor und ſagte mit einem unausſprech¬
lich heitern Laͤcheln: »Nein! ich will meinen Flamin
»nicht betruͤgen! Ich will ſie weder ſuchen noch
»meiden und ihre Freundſchaft nicht eher begehren
»als zur Zeit ſeines hoͤchſten Gluͤcks. Wie dich
»da *)ſo will ich die himmliſche Glanzbuͤſte anblik¬
»ken und nicht begehren, daß ſie Waͤrme aunehme
»und das kalte Gypsauge auf mich wende. Aber
»du, mein Freund, ſey gluͤcklich und ganz ſeelig und
»merke nicht einmal meinen Kampf!«
Jetzt empfand er den Kirchenſchmuck des Mor¬
gens und die Morgenluft floß wie ein kuͤhles Hals¬
gehenk auf ſeinem heißen Buſen umher und legte
ſpielend Haar und Buſenſtreif zuruͤck. Er fuͤhlte,
jetzt ſey er werth, an Emanuel geſchrieben, und an
den Himmel geſchauet zu haben. . . .
Flamin trat ein mit einiger Kaͤlte, die vom er¬
blickten Brief noch ein wenig ſtieg. Viktor war
nicht kalt zu machen; blos als man unten ihn mit
keinem Wort an ſeine geſtrigen Dithyramben erin¬
nerte: that er aus Beſorgniß errathen zu ſeyn, einen
zornigen verſteckten Schwur, wenn ſie kaͤme, nicht
*)
Die Buͤſte des Vatikaniſchen Appollo, an der er keine an¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/174>, abgerufen am 19.05.2024.
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