"das Kind unsere Sprache, wenn es nicht "schon eine kann?"
. . Ich hab' es blos aus Liebe zu den Weltwei¬ sen mit Schwabacher geschrieben.
"Also muß, antwortete er, die Pantomimische "Sprache gerade so viel bezeichnen wie die Ohren¬ "sprache. -- So oft ich einen Taubstummen zum "Abendmal gehen sehe, denk' ich daran, daß aller "Unterricht nichts in den Menschen bringe, sondern "nur das Dagewesene bezeichne und ordne -- Die "Kindesseele ist ihr Zeichenmeister, der Sprach¬ "lehrer der Kolorist derselben." -- "Wie, fuhr sie "fort, wenn dieser schöne Abend einmal wieder vor "die Erinnerung dieses Kleinen käme? Warum sieht "das sechste Jahr schöner in der Erinnerung aus als "das zwölfte, und das dritte noch schöner? -- Eine schöne Frau unterbricht man nicht so leicht wie einen Exdekan: sie durfte also darauf kommen: "Herr Emanuel sagte einmal, man sollte den Kin¬ "dern in jedem Jahre ihre vergangnen erzählen, da¬ "mit sie einmal durch alle Jahre durchblicken könn¬ "ten bis ins zweite neblichte hinein." Mir ist als hört' ich die Hofdame leibhaftig sprechen, unter be¬ ren dünnen Blonden mehr Philosophie blieb als un¬ ter manchem Doktor Filzhut, wie Quecksilber im Flor beklebt und durch Leder rinnt. -- Viktor ant¬ wortete mit der gewöhnlichen Theilnahme seines gu¬
»das Kind unſere Sprache, wenn es nicht »ſchon eine kann?«
. . Ich hab' es blos aus Liebe zu den Weltwei¬ ſen mit Schwabacher geſchrieben.
»Alſo muß, antwortete er, die Pantomimiſche »Sprache gerade ſo viel bezeichnen wie die Ohren¬ »ſprache. — So oft ich einen Taubſtummen zum »Abendmal gehen ſehe, denk' ich daran, daß aller »Unterricht nichts in den Menſchen bringe, ſondern »nur das Dageweſene bezeichne und ordne — Die »Kindesſeele iſt ihr Zeichenmeiſter, der Sprach¬ »lehrer der Koloriſt derſelben.« — »Wie, fuhr ſie »fort, wenn dieſer ſchoͤne Abend einmal wieder vor »die Erinnerung dieſes Kleinen kaͤme? Warum ſieht «das ſechſte Jahr ſchoͤner in der Erinnerung aus als »das zwoͤlfte, und das dritte noch ſchoͤner? — Eine ſchoͤne Frau unterbricht man nicht ſo leicht wie einen Exdekan: ſie durfte alſo darauf kommen: »Herr Emanuel ſagte einmal, man ſollte den Kin¬ »dern in jedem Jahre ihre vergangnen erzaͤhlen, da¬ »mit ſie einmal durch alle Jahre durchblicken koͤnn¬ »ten bis ins zweite neblichte hinein.« Mir iſt als hoͤrt' ich die Hofdame leibhaftig ſprechen, unter be¬ ren duͤnnen Blonden mehr Philoſophie blieb als un¬ ter manchem Doktor Filzhut, wie Queckſilber im Flor beklebt und durch Leder rinnt. — Viktor ant¬ wortete mit der gewoͤhnlichen Theilnahme ſeines gu¬
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»das Kind unſere Sprache, wenn es nicht
»ſchon eine kann?«
. . Ich hab' es blos aus Liebe zu den Weltwei¬
ſen mit Schwabacher geſchrieben.
»Alſo muß, antwortete er, die Pantomimiſche
»Sprache gerade ſo viel bezeichnen wie die Ohren¬
»ſprache. — So oft ich einen Taubſtummen zum
»Abendmal gehen ſehe, denk' ich daran, daß aller
»Unterricht nichts in den Menſchen bringe, ſondern
»nur das Dageweſene bezeichne und ordne — Die
»Kindesſeele iſt ihr Zeichenmeiſter, der Sprach¬
»lehrer der Koloriſt derſelben.« — »Wie, fuhr ſie
»fort, wenn dieſer ſchoͤne Abend einmal wieder vor
»die Erinnerung dieſes Kleinen kaͤme? Warum ſieht
«das ſechſte Jahr ſchoͤner in der Erinnerung aus als
»das zwoͤlfte, und das dritte noch ſchoͤner? —
Eine ſchoͤne Frau unterbricht man nicht ſo leicht wie
einen Exdekan: ſie durfte alſo darauf kommen:
»Herr Emanuel ſagte einmal, man ſollte den Kin¬
»dern in jedem Jahre ihre vergangnen erzaͤhlen, da¬
»mit ſie einmal durch alle Jahre durchblicken koͤnn¬
»ten bis ins zweite neblichte hinein.« Mir iſt als
hoͤrt' ich die Hofdame leibhaftig ſprechen, unter be¬
ren duͤnnen Blonden mehr Philoſophie blieb als un¬
ter manchem Doktor Filzhut, wie Queckſilber im
Flor beklebt und durch Leder rinnt. — Viktor ant¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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