"nie empor als am sonnenhellen kurzen Tage der "Liebe und nach ihm versinkt euer beraubtes Herz "wieder in die kühle Tiefe: so liegen die Wasser¬ "pflanzen das ganze Jahr ersäuft im Wasser, bloß "zur Zeit ihrer Blüte und Liebe sitzen ihre heraufge¬ "stiegenen Blätter auf dem Wasser und sonnen sich "herrlich und -- fallen dann wieder hinunter."
Flamin bewies, daß gerade Leute vom größten Muth den kleinsten gegen Schönheit zeigen -- er that ihr nicht Einen Schritt entgegen. Viktors ehr¬ erbietige Entfernung von ihr wäre durch die, in der sein Freund sich von ihr hielt, auch größer gewor¬ den, hätt' er ihr nicht etwas zu geben gehabt -- nicht sein Herz, sondern Emanuels Zettel. Er konnte ihn nicht stehlen, da er ihr neulich schon die erste Zeile vorgesagt; zweitens mußt' er ihn unter vier Augen -- nicht z. B. durch Agathen -- zustellen, weil er ihre bis an die äußerste Gränze getriebne Diskretion kannte. Klotilde gehörte unter die -- dem Biographen und dem Helden beschwerlichen -- Personen, die gern alles kleine verbergen, z. B. was sie essen, wohin sie morgen gehen, die auf den Freund toll werden, wenn er ausplaudert, sie hatten voriges Jahr am Thomastage leichte Kopfschmerzen. Bei Klotilde kams nicht von Furcht, sondern von der dunkeln Ahndung, daß der, der gleichgültige Mysterien ausschwatze, endlich wichtige sage. Er
»nie empor als am ſonnenhellen kurzen Tage der »Liebe und nach ihm verſinkt euer beraubtes Herz »wieder in die kuͤhle Tiefe: ſo liegen die Waſſer¬ »pflanzen das ganze Jahr erſaͤuft im Waſſer, bloß »zur Zeit ihrer Bluͤte und Liebe ſitzen ihre heraufge¬ »ſtiegenen Blaͤtter auf dem Waſſer und ſonnen ſich »herrlich und — fallen dann wieder hinunter.«
Flamin bewies, daß gerade Leute vom groͤßten Muth den kleinſten gegen Schoͤnheit zeigen — er that ihr nicht Einen Schritt entgegen. Viktors ehr¬ erbietige Entfernung von ihr waͤre durch die, in der ſein Freund ſich von ihr hielt, auch groͤßer gewor¬ den, haͤtt' er ihr nicht etwas zu geben gehabt — nicht ſein Herz, ſondern Emanuels Zettel. Er konnte ihn nicht ſtehlen, da er ihr neulich ſchon die erſte Zeile vorgeſagt; zweitens mußt' er ihn unter vier Augen — nicht z. B. durch Agathen — zuſtellen, weil er ihre bis an die aͤußerſte Graͤnze getriebne Diskretion kannte. Klotilde gehoͤrte unter die — dem Biographen und dem Helden beſchwerlichen — Perſonen, die gern alles kleine verbergen, z. B. was ſie eſſen, wohin ſie morgen gehen, die auf den Freund toll werden, wenn er ausplaudert, ſie hatten voriges Jahr am Thomastage leichte Kopfſchmerzen. Bei Klotilde kams nicht von Furcht, ſondern von der dunkeln Ahndung, daß der, der gleichguͤltige Myſterien ausſchwatze, endlich wichtige ſage. Er
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»nie empor als am ſonnenhellen kurzen Tage der
»Liebe und nach ihm verſinkt euer beraubtes Herz
»wieder in die kuͤhle Tiefe: ſo liegen die Waſſer¬
»pflanzen das ganze Jahr erſaͤuft im Waſſer, bloß
»zur Zeit ihrer Bluͤte und Liebe ſitzen ihre heraufge¬
»ſtiegenen Blaͤtter auf dem Waſſer und ſonnen ſich
»herrlich und — fallen dann wieder hinunter.«
Flamin bewies, daß gerade Leute vom groͤßten
Muth den kleinſten gegen Schoͤnheit zeigen — er
that ihr nicht Einen Schritt entgegen. Viktors ehr¬
erbietige Entfernung von ihr waͤre durch die, in der
ſein Freund ſich von ihr hielt, auch groͤßer gewor¬
den, haͤtt' er ihr nicht etwas zu geben gehabt — nicht
ſein Herz, ſondern Emanuels Zettel. Er konnte
ihn nicht ſtehlen, da er ihr neulich ſchon die erſte
Zeile vorgeſagt; zweitens mußt' er ihn unter vier
Augen — nicht z. B. durch Agathen — zuſtellen,
weil er ihre bis an die aͤußerſte Graͤnze getriebne
Diskretion kannte. Klotilde gehoͤrte unter die —
dem Biographen und dem Helden beſchwerlichen —
Perſonen, die gern alles kleine verbergen, z. B. was
ſie eſſen, wohin ſie morgen gehen, die auf den
Freund toll werden, wenn er ausplaudert, ſie hatten
voriges Jahr am Thomastage leichte Kopfſchmerzen.
Bei Klotilde kams nicht von Furcht, ſondern von
der dunkeln Ahndung, daß der, der gleichguͤltige
Myſterien ausſchwatze, endlich wichtige ſage. Er
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/147>, abgerufen am 23.11.2024.
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