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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

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"Und mit dieser Hoffnung zieh' aus Maienthal,
"edle Seele: aber weder Welttheile noch Gräber,
"noch die zweite Welt können zwei Menschen zer¬
"trennen oder verbinden; sondern nur Gedanken
"scheiden und gatten die Seelen. --

"O dein Leben hänge voll Blüten! Aus dei¬
"nem ersten Paradies müsse ein zweites wie aus ei¬
"ner Rose eine zweite, spriessen! Die Erbe müsse
"dir schimmern als ständest du über ihr und sä¬
"hest ihrem Zug im Himmel nach! -- Und wie Mo¬
"ses starb, weil ihn Gott küßte: so sey dein Leben
"ein langer Kuß des Ewigen! Und dein Tod sey
"meiner. . . . Emanuel.

"O du guter, guter Geist! (rief Viktor) ich kann
"dich nun nicht mehr vergessen -- du mußt, du
"wirst mein schwaches Herz annehmen!" Von sei¬
nen innern Saiten waren jetzt die Dunsttropfen die
ihren Klang aufhielten, abgefallen. Sein Kopf wur¬
de eine helle Esplanade, auf der nichts stand als
Emanuels glänzende Natur. Er kam mit einem
leuchtenden Mosis Angesicht spät in dem Pfarrhaus
an; und in dieser Glut stellte er vor seinen Zu¬
schauern das Bild von Klotilden auf, dem er von ei¬
nem Engel alles ausser dem Flugwerk gab. Flamin

neigte, die also nur die Dornenkrone nahm. Voyage d'un
Fran cois. T. VI. p. 303.

»Und mit dieſer Hoffnung zieh' aus Maienthal,
»edle Seele: aber weder Welttheile noch Graͤber,
»noch die zweite Welt koͤnnen zwei Menſchen zer¬
»trennen oder verbinden; ſondern nur Gedanken
»ſcheiden und gatten die Seelen. —

»O dein Leben haͤnge voll Bluͤten! Aus dei¬
»nem erſten Paradies muͤſſe ein zweites wie aus ei¬
»ner Roſe eine zweite, ſprieſſen! Die Erbe muͤſſe
»dir ſchimmern als ſtaͤndeſt du uͤber ihr und ſaͤ¬
»heſt ihrem Zug im Himmel nach! — Und wie Mo¬
»ſes ſtarb, weil ihn Gott kuͤßte: ſo ſey dein Leben
»ein langer Kuß des Ewigen! Und dein Tod ſey
»meiner. . . . Emanuel.

»O du guter, guter Geiſt! (rief Viktor) ich kann
»dich nun nicht mehr vergeſſen — du mußt, du
»wirſt mein ſchwaches Herz annehmen!» Von ſei¬
nen innern Saiten waren jetzt die Dunſttropfen die
ihren Klang aufhielten, abgefallen. Sein Kopf wur¬
de eine helle Eſplanade, auf der nichts ſtand als
Emanuels glaͤnzende Natur. Er kam mit einem
leuchtenden Moſis Angeſicht ſpaͤt in dem Pfarrhaus
an; und in dieſer Glut ſtellte er vor ſeinen Zu¬
ſchauern das Bild von Klotilden auf, dem er von ei¬
nem Engel alles auſſer dem Flugwerk gab. Flamin

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[101/0112] »Und mit dieſer Hoffnung zieh' aus Maienthal, »edle Seele: aber weder Welttheile noch Graͤber, »noch die zweite Welt koͤnnen zwei Menſchen zer¬ »trennen oder verbinden; ſondern nur Gedanken »ſcheiden und gatten die Seelen. — »O dein Leben haͤnge voll Bluͤten! Aus dei¬ »nem erſten Paradies muͤſſe ein zweites wie aus ei¬ »ner Roſe eine zweite, ſprieſſen! Die Erbe muͤſſe »dir ſchimmern als ſtaͤndeſt du uͤber ihr und ſaͤ¬ »heſt ihrem Zug im Himmel nach! — Und wie Mo¬ »ſes ſtarb, weil ihn Gott kuͤßte: ſo ſey dein Leben »ein langer Kuß des Ewigen! Und dein Tod ſey »meiner. . . . Emanuel. »O du guter, guter Geiſt! (rief Viktor) ich kann »dich nun nicht mehr vergeſſen — du mußt, du »wirſt mein ſchwaches Herz annehmen!» Von ſei¬ nen innern Saiten waren jetzt die Dunſttropfen die ihren Klang aufhielten, abgefallen. Sein Kopf wur¬ de eine helle Eſplanade, auf der nichts ſtand als Emanuels glaͤnzende Natur. Er kam mit einem leuchtenden Moſis Angeſicht ſpaͤt in dem Pfarrhaus an; und in dieſer Glut ſtellte er vor ſeinen Zu¬ ſchauern das Bild von Klotilden auf, dem er von ei¬ nem Engel alles auſſer dem Flugwerk gab. Flamin *) *) neigte, die also nur die Dornenkrone nahm. Voyage d'un Fran çois. T. VI. p. 303.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/112>, abgerufen am 04.12.2024.