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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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liebsten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern
sah durch die Thüre, um einen von Raphaelens
Wünschen zu holen und erfüllt zurück zu bringen.
Die ganze Dienerschaft schien ihre Regierung für
eine goldne von Saturn zu halten; man sah ei¬
nige von der weiblichen sogar im Park spazieren
gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinströ¬
mende Abendsonne und der Freudenglanz, der je¬
dem Gesichte steht, bewarfen das Mädchen und
die Situazion mit ansehnlichen Reitzen. Flitte
war gegen Raphaela nicht die Falschheit selber,
sondern ein Fünftelsaft von Wesen -- nämlich ein
Fünftel galant, ein Fünftel gut, eines sinnlich,
eines Geldsüchtig, ein Fünftel ich weiß nicht
was als sie zu Walts Entzücken gesagt hat¬
te: "Schmeicheln sollen Sie meinem Gesichte
nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß
ma chere mere es wieder erkennt." -- Im Notar
kroch heimlich die stille Freude herum, daß er
jetzt gerade unter seinem eignen Zimmer stehe, im
Hause zugleich Gast und Miethsmann, daß er
ferner nicht die kleinste Verlegenheit spüre -- denn
Flitte war ihm nicht fremd und über Eine Frau

war

liebſten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern
ſah durch die Thuͤre, um einen von Raphaelens
Wuͤnſchen zu holen und erfuͤllt zuruͤck zu bringen.
Die ganze Dienerſchaft ſchien ihre Regierung fuͤr
eine goldne von Saturn zu halten; man ſah ei¬
nige von der weiblichen ſogar im Park ſpazieren
gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinſtroͤ¬
mende Abendſonne und der Freudenglanz, der je¬
dem Geſichte ſteht, bewarfen das Maͤdchen und
die Situazion mit anſehnlichen Reitzen. Flitte
war gegen Raphaela nicht die Falſchheit ſelber,
ſondern ein Fuͤnftelſaft von Weſen — naͤmlich ein
Fuͤnftel galant, ein Fuͤnftel gut, eines ſinnlich,
eines Geldſuͤchtig, ein Fuͤnftel ich weiß nicht
was als ſie zu Walts Entzuͤcken geſagt hat¬
te: „Schmeicheln ſollen Sie meinem Geſichte
nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß
ma chère mère es wieder erkennt.“ — Im Notar
kroch heimlich die ſtille Freude herum, daß er
jetzt gerade unter ſeinem eignen Zimmer ſtehe, im
Hauſe zugleich Gaſt und Miethsmann, daß er
ferner nicht die kleinſte Verlegenheit ſpuͤre — denn
Flitte war ihm nicht fremd und uͤber Eine Frau

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[64/0070] liebſten trinkt. Ein Bedienter nach dem andern ſah durch die Thuͤre, um einen von Raphaelens Wuͤnſchen zu holen und erfuͤllt zuruͤck zu bringen. Die ganze Dienerſchaft ſchien ihre Regierung fuͤr eine goldne von Saturn zu halten; man ſah ei¬ nige von der weiblichen ſogar im Park ſpazieren gehen. Die immer voller ins Zimmer hineinſtroͤ¬ mende Abendſonne und der Freudenglanz, der je¬ dem Geſichte ſteht, bewarfen das Maͤdchen und die Situazion mit anſehnlichen Reitzen. Flitte war gegen Raphaela nicht die Falſchheit ſelber, ſondern ein Fuͤnftelſaft von Weſen — naͤmlich ein Fuͤnftel galant, ein Fuͤnftel gut, eines ſinnlich, eines Geldſuͤchtig, ein Fuͤnftel ich weiß nicht was als ſie zu Walts Entzuͤcken geſagt hat¬ te: „Schmeicheln ſollen Sie meinem Geſichte nicht, es hilft nichts; machen Sie es nur, daß ma chère mère es wieder erkennt.“ — Im Notar kroch heimlich die ſtille Freude herum, daß er jetzt gerade unter ſeinem eignen Zimmer ſtehe, im Hauſe zugleich Gaſt und Miethsmann, daß er ferner nicht die kleinſte Verlegenheit ſpuͤre — denn Flitte war ihm nicht fremd und uͤber Eine Frau war

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/70>, abgerufen am 23.11.2024.