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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Bruder das Bewußtsein und Geständnis, geirrt
zu haben, so sanft ersparen!" sagt' er entzückt.

Immer wärmer lebten beide sich in die Wo¬
che und in einander hinein, sie hätten die Probe¬
woche lieber wiederholt als geendigt. Flitten war
das liebende, warme Wesen, womit Walt wie
mit einer elektrischen Atmosphäre umgeben war,
etwas neues und anziehendes; er konnte zuletzt
schwer mehr ohne ihn aus dem Hause.

Walt machte daraus desto mehr, je weniger
beide eigentlich, wie er fühlte, einander unterhal¬
ten konnten; ihre Nervengewebe hatten sich zer¬
strickt, sie waren wie Polypen in einander gesteckt;
doch fraß jeder so auf eigne Rechnung, daß keiner
weder der Magen, noch die Nahrung des andern
war.

Es kam der letzte Probe- und Flitterwochen¬
tag. Walt scheuete alles letzte, jedes scharfe Ende,
sogar einer Klage. Ein Ripienist von Vults
Spiele in Rosenhof hatte dessen Eintreffen ver¬
kündigt. Auch der D. Hut wollte Nachts an¬
langen. Einige schöne Mitternachtsröthe stand
ihm bevor. Flitte bat ihn, diesen letzten Nach¬

Bruder das Bewußtſein und Geſtaͤndnis, geirrt
zu haben, ſo ſanft erſparen!“ ſagt' er entzuͤckt.

Immer waͤrmer lebten beide ſich in die Wo¬
che und in einander hinein, ſie haͤtten die Probe¬
woche lieber wiederholt als geendigt. Flitten war
das liebende, warme Weſen, womit Walt wie
mit einer elektriſchen Atmosphaͤre umgeben war,
etwas neues und anziehendes; er konnte zuletzt
ſchwer mehr ohne ihn aus dem Hauſe.

Walt machte daraus deſto mehr, je weniger
beide eigentlich, wie er fuͤhlte, einander unterhal¬
ten konnten; ihre Nervengewebe hatten ſich zer¬
ſtrickt, ſie waren wie Polypen in einander geſteckt;
doch fraß jeder ſo auf eigne Rechnung, daß keiner
weder der Magen, noch die Nahrung des andern
war.

Es kam der letzte Probe- und Flitterwochen¬
tag. Walt ſcheuete alles letzte, jedes ſcharfe Ende,
ſogar einer Klage. Ein Ripieniſt von Vults
Spiele in Roſenhof hatte deſſen Eintreffen ver¬
kuͤndigt. Auch der D. Hut wollte Nachts an¬
langen. Einige ſchoͤne Mitternachtsroͤthe ſtand
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[62/0068] Bruder das Bewußtſein und Geſtaͤndnis, geirrt zu haben, ſo ſanft erſparen!“ ſagt' er entzuͤckt. Immer waͤrmer lebten beide ſich in die Wo¬ che und in einander hinein, ſie haͤtten die Probe¬ woche lieber wiederholt als geendigt. Flitten war das liebende, warme Weſen, womit Walt wie mit einer elektriſchen Atmosphaͤre umgeben war, etwas neues und anziehendes; er konnte zuletzt ſchwer mehr ohne ihn aus dem Hauſe. Walt machte daraus deſto mehr, je weniger beide eigentlich, wie er fuͤhlte, einander unterhal¬ ten konnten; ihre Nervengewebe hatten ſich zer¬ ſtrickt, ſie waren wie Polypen in einander geſteckt; doch fraß jeder ſo auf eigne Rechnung, daß keiner weder der Magen, noch die Nahrung des andern war. Es kam der letzte Probe- und Flitterwochen¬ tag. Walt ſcheuete alles letzte, jedes ſcharfe Ende, ſogar einer Klage. Ein Ripieniſt von Vults Spiele in Roſenhof hatte deſſen Eintreffen ver¬ kuͤndigt. Auch der D. Hut wollte Nachts an¬ langen. Einige ſchoͤne Mitternachtsroͤthe ſtand ihm bevor. Flitte bat ihn, dieſen letzten Nach¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/68>, abgerufen am 01.05.2024.