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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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so viel gewonnen, daß er durchaus ein Goldstück
als Stückwerk zum Zerstücken von ihm anneh¬
men müsse, wäre es auch nur, damit er unter
den Zuschauern etwas zu thun habe, im Magen¬
zimmer; dabei empfahl er ihm, sich als Spes
mit keiner weiblichen Maske einzulassen, da aus
einer guten Hoffnung leicht die andere werde.

Walt's Abendstern trat allmählig wieder ins
Volllicht, und als er Vulten die Halbbüste an¬
legte, und ihm ins sehr ernste Gesicht und Auge sah,
so sagte er heiß: "sey froher! Freuden sind Men¬
schenflügel, ja Engelsschwingen. Ich bin nur
heute zu sehr von allem berauscht, als daß ich
dir meinen Wunsch fein genug ausdrücken könnte,
wie du noch mehr lieben solltest, als mich." --

"Liebe, versetzte Vult, ist, um in deiner
Flötensprache zu reden, ewig ein Schmerz, ent¬
weder ein süsser oder ein bitterer, immer eine
Nacht, worin kein Stern aufgeht, ohne daß ei¬
ner hinter meinem Rücken untertaucht -- Freund¬
schaft ist ein Tag, wo nichts untergeht, als ein¬
mal die Sonne; und dann ists schwarz, und der
Teufel erscheint. --

ſo viel gewonnen, daß er durchaus ein Goldſtuͤck
als Stuͤckwerk zum Zerſtuͤcken von ihm anneh¬
men muͤſſe, waͤre es auch nur, damit er unter
den Zuſchauern etwas zu thun habe, im Magen¬
zimmer; dabei empfahl er ihm, ſich als Spes
mit keiner weiblichen Maske einzulaſſen, da aus
einer guten Hoffnung leicht die andere werde.

Walt's Abendſtern trat allmaͤhlig wieder ins
Volllicht, und als er Vulten die Halbbuͤſte an¬
legte, und ihm ins ſehr ernſte Geſicht und Auge ſah,
ſo ſagte er heiß: „ſey froher! Freuden ſind Men¬
ſchenfluͤgel, ja Engelsſchwingen. Ich bin nur
heute zu ſehr von allem berauſcht, als daß ich
dir meinen Wunſch fein genug ausdruͤcken koͤnnte,
wie du noch mehr lieben ſollteſt, als mich.” —

„Liebe, verſetzte Vult, iſt, um in deiner
Floͤtenſprache zu reden, ewig ein Schmerz, ent¬
weder ein ſuͤſſer oder ein bitterer, immer eine
Nacht, worin kein Stern aufgeht, ohne daß ei¬
ner hinter meinem Ruͤcken untertaucht — Freund¬
ſchaft iſt ein Tag, wo nichts untergeht, als ein¬
mal die Sonne; und dann iſts ſchwarz, und der
Teufel erſcheint. —

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[287/0293] ſo viel gewonnen, daß er durchaus ein Goldſtuͤck als Stuͤckwerk zum Zerſtuͤcken von ihm anneh¬ men muͤſſe, waͤre es auch nur, damit er unter den Zuſchauern etwas zu thun habe, im Magen¬ zimmer; dabei empfahl er ihm, ſich als Spes mit keiner weiblichen Maske einzulaſſen, da aus einer guten Hoffnung leicht die andere werde. Walt's Abendſtern trat allmaͤhlig wieder ins Volllicht, und als er Vulten die Halbbuͤſte an¬ legte, und ihm ins ſehr ernſte Geſicht und Auge ſah, ſo ſagte er heiß: „ſey froher! Freuden ſind Men¬ ſchenfluͤgel, ja Engelsſchwingen. Ich bin nur heute zu ſehr von allem berauſcht, als daß ich dir meinen Wunſch fein genug ausdruͤcken koͤnnte, wie du noch mehr lieben ſollteſt, als mich.” — „Liebe, verſetzte Vult, iſt, um in deiner Floͤtenſprache zu reden, ewig ein Schmerz, ent¬ weder ein ſuͤſſer oder ein bitterer, immer eine Nacht, worin kein Stern aufgeht, ohne daß ei¬ ner hinter meinem Ruͤcken untertaucht — Freund¬ ſchaft iſt ein Tag, wo nichts untergeht, als ein¬ mal die Sonne; und dann iſts ſchwarz, und der Teufel erſcheint. —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/293>, abgerufen am 15.05.2024.