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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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und fand nichts darin, als einen gemeinen Lob¬
spruch auf seine bezauberten Augen.

Am meisten zog ihn und seine Bewunderung
ein herumrutschender Riesenstiefel an, der sich sel¬
ber anhatte und trug, bis ein altväterischer Schul¬
meister mit dem Bakel ihn so kopfschüttelnd ernst
und zurechtweisend ansah, daß er ganz irre wur¬
de, und sich selber an sich, und an seinem Fuhr¬
manns-Hemde nach seinem Verstoße umsah. Als
der Schulmann dieses merkte, winkte und rügte
er noch heftiger, bis der Notar, der ihm erschro¬
ken in die thränenden Augen geblickt, sich in die
Menge einsteckte. Es war ihm etwas fürchterli¬
ches, in die dunkle unbekannte Augenhöhle wie in
die offne Mündung eines Geschoßes hinein zu
schauen, und lebendige Blicke eines Unbekannten
zu empfangen.

Noch hatte er werde Vult noch Wina gesehen;
und ihm wurde am Ende bange, ob er auch in
diesem Meere sie wie Perlen oder Inseln finde.

Auf einmal stellte sich eine Jungfrau mit ei¬
nem Blumenkranz auf dem Kopfe vor ihn; aus
dem Munde der Maske hing ein Zettel des In¬

und fand nichts darin, als einen gemeinen Lob¬
ſpruch auf ſeine bezauberten Augen.

Am meiſten zog ihn und ſeine Bewunderung
ein herumrutſchender Rieſenſtiefel an, der ſich ſel¬
ber anhatte und trug, bis ein altvaͤteriſcher Schul¬
meiſter mit dem Bakel ihn ſo kopfſchuͤttelnd ernſt
und zurechtweiſend anſah, daß er ganz irre wur¬
de, und ſich ſelber an ſich, und an ſeinem Fuhr¬
manns-Hemde nach ſeinem Verſtoße umſah. Als
der Schulmann dieſes merkte, winkte und ruͤgte
er noch heftiger, bis der Notar, der ihm erſchro¬
ken in die thraͤnenden Augen geblickt, ſich in die
Menge einſteckte. Es war ihm etwas fuͤrchterli¬
ches, in die dunkle unbekannte Augenhoͤhle wie in
die offne Muͤndung eines Geſchoßes hinein zu
ſchauen, und lebendige Blicke eines Unbekannten
zu empfangen.

Noch hatte er werde Vult noch Wina geſehen;
und ihm wurde am Ende bange, ob er auch in
dieſem Meere ſie wie Perlen oder Inſeln finde.

Auf einmal ſtellte ſich eine Jungfrau mit ei¬
nem Blumenkranz auf dem Kopfe vor ihn; aus
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[277/0283] und fand nichts darin, als einen gemeinen Lob¬ ſpruch auf ſeine bezauberten Augen. Am meiſten zog ihn und ſeine Bewunderung ein herumrutſchender Rieſenſtiefel an, der ſich ſel¬ ber anhatte und trug, bis ein altvaͤteriſcher Schul¬ meiſter mit dem Bakel ihn ſo kopfſchuͤttelnd ernſt und zurechtweiſend anſah, daß er ganz irre wur¬ de, und ſich ſelber an ſich, und an ſeinem Fuhr¬ manns-Hemde nach ſeinem Verſtoße umſah. Als der Schulmann dieſes merkte, winkte und ruͤgte er noch heftiger, bis der Notar, der ihm erſchro¬ ken in die thraͤnenden Augen geblickt, ſich in die Menge einſteckte. Es war ihm etwas fuͤrchterli¬ ches, in die dunkle unbekannte Augenhoͤhle wie in die offne Muͤndung eines Geſchoßes hinein zu ſchauen, und lebendige Blicke eines Unbekannten zu empfangen. Noch hatte er werde Vult noch Wina geſehen; und ihm wurde am Ende bange, ob er auch in dieſem Meere ſie wie Perlen oder Inſeln finde. Auf einmal ſtellte ſich eine Jungfrau mit ei¬ nem Blumenkranz auf dem Kopfe vor ihn; aus dem Munde der Maske hing ein Zettel des In¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/283>, abgerufen am 16.05.2024.