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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Raphaela seit näherer Bekanntschaft in einem an¬
dern Lichte erscheinen muß als sonst, so hasse ich
doch das gewaltsame Herauskehren und Umstül¬
pen des Innern zum Aeußern noch fort, als sei
man eine kehrbare Thierpflanze. Wenn ein Mäd¬
chen anfängt, "eine schöne weibliche Seele": so
lauf' ich gern davon; denn sie besieht sich mit. --
Herzen hat ohnehin jedes so viele aufzumachen
und zu verschenken, als ein Fürst Dosen, und
beide enthalten das Bildniß des Gebers, nicht
des Empfängers. Ueberhaupt! -- Und so fort!
-- Aber ich berufe mich auf dich selber, ob du
wohl bei deiner und unserer Delikatesse fähig wä¬
rest, von deinen heiligern Herzens-Gegenden, vom
innersten und heißesten Afrika, alles bekannt zu
machen und Landkarten davon zu stechen. Ein
anderes, Bruder, sind Spitzbübereien der Liebe --
bloße schlimme Streiche -- Wiegenfeste des alten
Adams -- alles dieses dergleichen wilde Fleisch
am Herzen, oder, möcht' ich mit den Aerzten spre¬
chen, solche Extravasata, oder mit den Kanoni¬
sten, solche Extravagantia, kurz deine starken
Ausschweifungen, kannst du mir, ob ich sie dir

Raphaela ſeit naͤherer Bekanntſchaft in einem an¬
dern Lichte erſcheinen muß als ſonſt, ſo haſſe ich
doch das gewaltſame Herauskehren und Umſtuͤl¬
pen des Innern zum Aeußern noch fort, als ſei
man eine kehrbare Thierpflanze. Wenn ein Maͤd¬
chen anfaͤngt, „eine ſchoͤne weibliche Seele”: ſo
lauf' ich gern davon; denn ſie beſieht ſich mit. —
Herzen hat ohnehin jedes ſo viele aufzumachen
und zu verſchenken, als ein Fuͤrſt Doſen, und
beide enthalten das Bildniß des Gebers, nicht
des Empfaͤngers. Ueberhaupt! — Und ſo fort!
— Aber ich berufe mich auf dich ſelber, ob du
wohl bei deiner und unſerer Delikateſſe faͤhig waͤ¬
reſt, von deinen heiligern Herzens-Gegenden, vom
innerſten und heißeſten Afrika, alles bekannt zu
machen und Landkarten davon zu ſtechen. Ein
anderes, Bruder, ſind Spitzbuͤbereien der Liebe —
bloße ſchlimme Streiche — Wiegenfeſte des alten
Adams — alles dieſes dergleichen wilde Fleiſch
am Herzen, oder, moͤcht' ich mit den Aerzten ſpre¬
chen, ſolche Extravaſata, oder mit den Kanoni¬
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[238/0244] Raphaela ſeit naͤherer Bekanntſchaft in einem an¬ dern Lichte erſcheinen muß als ſonſt, ſo haſſe ich doch das gewaltſame Herauskehren und Umſtuͤl¬ pen des Innern zum Aeußern noch fort, als ſei man eine kehrbare Thierpflanze. Wenn ein Maͤd¬ chen anfaͤngt, „eine ſchoͤne weibliche Seele”: ſo lauf' ich gern davon; denn ſie beſieht ſich mit. — Herzen hat ohnehin jedes ſo viele aufzumachen und zu verſchenken, als ein Fuͤrſt Doſen, und beide enthalten das Bildniß des Gebers, nicht des Empfaͤngers. Ueberhaupt! — Und ſo fort! — Aber ich berufe mich auf dich ſelber, ob du wohl bei deiner und unſerer Delikateſſe faͤhig waͤ¬ reſt, von deinen heiligern Herzens-Gegenden, vom innerſten und heißeſten Afrika, alles bekannt zu machen und Landkarten davon zu ſtechen. Ein anderes, Bruder, ſind Spitzbuͤbereien der Liebe — bloße ſchlimme Streiche — Wiegenfeſte des alten Adams — alles dieſes dergleichen wilde Fleiſch am Herzen, oder, moͤcht' ich mit den Aerzten ſpre¬ chen, ſolche Extravaſata, oder mit den Kanoni¬ ſten, ſolche Extravagantia, kurz deine ſtarken Ausſchweifungen, kannſt du mir, ob ich ſie dir

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/244>, abgerufen am 04.05.2024.