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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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Stube ein wenig zu vergelten. Er sagte Vulten,
wie heute so viele andere Zufälle sich zu ihrem
Glück vereinigten, daß z. B. der erste Schnee
falle, der von jeher etwas häusliches und heimi¬
sches für ihn aus der Kindheit gehabt, gleichsam
die Maienblümchen des Winters -- und daß er
heute von hier aus die ersten Drescher höre, diese
Sprach- oder Spielwalzen des Winters. "Du
meinst die Flegel, sagte Vult; nur störet ihr
Takt meiner Flöte ihren." -- "Wie kommts bei¬
läufig, mein Alter, -- sagte Walt -- daß ein
fast so einfältiger Vers, der den Takt von drei
Dreschern nachklappen soll, etwas Anziehendes
für mich hat: "im Winter, mein Günther, so
drischt man das Korn; wenns kalt ist, nicht alt
bist, tapfer gefror'n." -- Es kann so seyn, ant¬
wortete Vult, daß der Vers in seiner Art vor¬
trefflich ist, und nachahmend, wer wills wissen?
-- Oder auch, weil ihn uns unser Vater so oft
aus H. v. Rohrs Haushaltungs-Recht vorlas.
Nämlich in Chursachsen hatte damals die Dre¬
scherzunft besondere Gesetze. Z. B. wer wie du
weißt, das halbe Vierte nicht nach dem Verse

Stube ein wenig zu vergelten. Er ſagte Vulten,
wie heute ſo viele andere Zufaͤlle ſich zu ihrem
Gluͤck vereinigten, daß z. B. der erſte Schnee
falle, der von jeher etwas haͤusliches und heimi¬
ſches fuͤr ihn aus der Kindheit gehabt, gleichſam
die Maienbluͤmchen des Winters — und daß er
heute von hier aus die erſten Dreſcher hoͤre, dieſe
Sprach- oder Spielwalzen des Winters. „Du
meinſt die Flegel, ſagte Vult; nur ſtoͤret ihr
Takt meiner Floͤte ihren.“ — „Wie kommts bei¬
laͤufig, mein Alter, — ſagte Walt — daß ein
faſt ſo einfaͤltiger Vers, der den Takt von drei
Dreſchern nachklappen ſoll, etwas Anziehendes
fuͤr mich hat: „im Winter, mein Guͤnther, ſo
driſcht man das Korn; wenns kalt iſt, nicht alt
biſt, tapfer gefror'n.“ — Es kann ſo ſeyn, ant¬
wortete Vult, daß der Vers in ſeiner Art vor¬
trefflich iſt, und nachahmend, wer wills wiſſen?
— Oder auch, weil ihn uns unſer Vater ſo oft
aus H. v. Rohrs Haushaltungs-Recht vorlas.
Naͤmlich in Churſachſen hatte damals die Dre¬
ſcherzunft beſondere Geſetze. Z. B. wer wie du
weißt, das halbe Vierte nicht nach dem Verſe

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[143/0149] Stube ein wenig zu vergelten. Er ſagte Vulten, wie heute ſo viele andere Zufaͤlle ſich zu ihrem Gluͤck vereinigten, daß z. B. der erſte Schnee falle, der von jeher etwas haͤusliches und heimi¬ ſches fuͤr ihn aus der Kindheit gehabt, gleichſam die Maienbluͤmchen des Winters — und daß er heute von hier aus die erſten Dreſcher hoͤre, dieſe Sprach- oder Spielwalzen des Winters. „Du meinſt die Flegel, ſagte Vult; nur ſtoͤret ihr Takt meiner Floͤte ihren.“ — „Wie kommts bei¬ laͤufig, mein Alter, — ſagte Walt — daß ein faſt ſo einfaͤltiger Vers, der den Takt von drei Dreſchern nachklappen ſoll, etwas Anziehendes fuͤr mich hat: „im Winter, mein Guͤnther, ſo driſcht man das Korn; wenns kalt iſt, nicht alt biſt, tapfer gefror'n.“ — Es kann ſo ſeyn, ant¬ wortete Vult, daß der Vers in ſeiner Art vor¬ trefflich iſt, und nachahmend, wer wills wiſſen? — Oder auch, weil ihn uns unſer Vater ſo oft aus H. v. Rohrs Haushaltungs-Recht vorlas. Naͤmlich in Churſachſen hatte damals die Dre¬ ſcherzunft beſondere Geſetze. Z. B. wer wie du weißt, das halbe Vierte nicht nach dem Verſe

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/149>, abgerufen am 23.11.2024.