Der Notarius, der unter die Menschen ge¬ hörte, welche wohl Jahre lang daheim sparen können, aber nicht unterwegs -- hingegen andere kehren es gerade um -- foderte kek sein Nösel Landwein. Dabei aß und saß er und beobachtete vergnügt die Wirthsstube, den Tisch, die Bänke und die Leute. Als einige Handwerkspursche ih¬ ren Kaffee bezahlten: bemerkte er sehr wahr, daß die Milchtöpfgen in Franken ihren Giesschnabel dem Henkel gegenüber haben, in Sachsen aber links oder gar keinen. Mit gedachten Purschen gieng seine Seele heimlich auf Reisen. Giebt es etwas schöneres, als solche Wanderjahre in der schönsten Jahrszeit und in der schönsten Lebenszeit, bei solchen Diätengeldern, die man unterwegs bei jedem Meister erhebt, und bei solcher Leichtigkeit, in die größten Städte Deutschlands ohne alle Reise¬ kosten zu gehen, und sobald kaltes nasses Wetter einbricht, sogar auf einem Arbeitsstuhl häuslich zu nisten und zu brüten wie der Kreuzschnabel im
Nro. 40.Cedo nulli.
Wirthshaͤuſer — Reiſebeluſtigungen.
Der Notarius, der unter die Menſchen ge¬ hoͤrte, welche wohl Jahre lang daheim ſparen koͤnnen, aber nicht unterwegs — hingegen andere kehren es gerade um — foderte kek ſein Noͤſel Landwein. Dabei aß und ſaß er und beobachtete vergnuͤgt die Wirthsſtube, den Tiſch, die Baͤnke und die Leute. Als einige Handwerkspurſche ih¬ ren Kaffee bezahlten: bemerkte er ſehr wahr, daß die Milchtoͤpfgen in Franken ihren Giesſchnabel dem Henkel gegenuͤber haben, in Sachſen aber links oder gar keinen. Mit gedachten Purſchen gieng ſeine Seele heimlich auf Reiſen. Giebt es etwas ſchoͤneres, als ſolche Wanderjahre in der ſchoͤnſten Jahrszeit und in der ſchoͤnſten Lebenszeit, bei ſolchen Diaͤtengeldern, die man unterwegs bei jedem Meiſter erhebt, und bei ſolcher Leichtigkeit, in die groͤßten Staͤdte Deutſchlands ohne alle Reiſe¬ koſten zu gehen, und ſobald kaltes naſſes Wetter einbricht, ſogar auf einem Arbeitsſtuhl haͤuslich zu niſten und zu bruͤten wie der Kreuzſchnabel im
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Nro. 40. Cedo nulli.
Wirthshaͤuſer — Reiſebeluſtigungen.
Der Notarius, der unter die Menſchen ge¬
hoͤrte, welche wohl Jahre lang daheim ſparen
koͤnnen, aber nicht unterwegs — hingegen andere
kehren es gerade um — foderte kek ſein Noͤſel
Landwein. Dabei aß und ſaß er und beobachtete
vergnuͤgt die Wirthsſtube, den Tiſch, die Baͤnke
und die Leute. Als einige Handwerkspurſche ih¬
ren Kaffee bezahlten: bemerkte er ſehr wahr, daß
die Milchtoͤpfgen in Franken ihren Giesſchnabel
dem Henkel gegenuͤber haben, in Sachſen aber
links oder gar keinen. Mit gedachten Purſchen
gieng ſeine Seele heimlich auf Reiſen. Giebt es
etwas ſchoͤneres, als ſolche Wanderjahre in der
ſchoͤnſten Jahrszeit und in der ſchoͤnſten Lebenszeit,
bei ſolchen Diaͤtengeldern, die man unterwegs bei
jedem Meiſter erhebt, und bei ſolcher Leichtigkeit,
in die groͤßten Staͤdte Deutſchlands ohne alle Reiſe¬
koſten zu gehen, und ſobald kaltes naſſes Wetter
einbricht, ſogar auf einem Arbeitsſtuhl haͤuslich
zu niſten und zu bruͤten wie der Kreuzſchnabel im
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/87>, abgerufen am 07.07.2024.
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