Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

rieth -- als er, wenn eine Frau bestimmt auf
ihr Geschlecht und auf das fremde und auf die
nöthigen Zartheiten zwischen beiden hinwies und
es häufig anmerkte, wie da mancher Handkuß
sie eine unreine Seele errathen lasse, dort man¬
cher wilde Blick, und wie das zärtere Geschlecht
sich gar nicht genug decken könne: so würde der
Flötenspieler ohne Umstände geäussert haben:
"eine freimüthige H -- sei eine kecke Heilige gegen
solche Abgründe feiger und eitler Sinnlichkeit zu¬
gleich -- er kenne dergleichen Herzen, welche das
Schlimme argwohnen, um nur es ungestraft
zu denken, die es wörtlich bekriegen, um es
länger fest zu halten, -- ja manche sehen sich
wohl gar in der Arzneikunde ein wenig um, da¬
mit sie im Namen der Wissenschaft (diese habe
kein Geschlecht) ein unschuldiges Wort reden
können -- und lagern sich vor dem Altar und
überall wie Friedrich II so schlachtfertig, en
ordre de bataille
, wie auf dem Sopha." --
"Warlich, sezt' er dazu, sie gehen ins leibliche,
oder ins geistige Zergliederungshaus, um die
Leichen zu -- sehen. "Unschuld, nur, wenn

rieth — als er, wenn eine Frau beſtimmt auf
ihr Geſchlecht und auf das fremde und auf die
noͤthigen Zartheiten zwiſchen beiden hinwies und
es haͤufig anmerkte, wie da mancher Handkuß
ſie eine unreine Seele errathen laſſe, dort man¬
cher wilde Blick, und wie das zaͤrtere Geſchlecht
ſich gar nicht genug decken koͤnne: ſo wuͤrde der
Floͤtenſpieler ohne Umſtaͤnde geaͤuſſert haben:
„eine freimuͤthige H — ſei eine kecke Heilige gegen
ſolche Abgruͤnde feiger und eitler Sinnlichkeit zu¬
gleich — er kenne dergleichen Herzen, welche das
Schlimme argwohnen, um nur es ungeſtraft
zu denken, die es woͤrtlich bekriegen, um es
laͤnger feſt zu halten, — ja manche ſehen ſich
wohl gar in der Arzneikunde ein wenig um, da¬
mit ſie im Namen der Wiſſenſchaft (dieſe habe
kein Geſchlecht) ein unſchuldiges Wort reden
koͤnnen — und lagern ſich vor dem Altar und
uͤberall wie Friedrich II ſo ſchlachtfertig, en
ordre de bataille
, wie auf dem Sopha.“ —
„Warlich, ſezt' er dazu, ſie gehen ins leibliche,
oder ins geiſtige Zergliederungshaus, um die
Leichen zu — ſehen. „Unſchuld, nur, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="61"/>
rieth &#x2014; als er, wenn eine Frau be&#x017F;timmt auf<lb/>
ihr Ge&#x017F;chlecht und auf das fremde und auf die<lb/>
no&#x0364;thigen Zartheiten zwi&#x017F;chen beiden hinwies und<lb/>
es ha&#x0364;ufig anmerkte, wie da mancher Handkuß<lb/>
&#x017F;ie eine unreine Seele errathen la&#x017F;&#x017F;e, dort man¬<lb/>
cher wilde Blick, und wie das za&#x0364;rtere Ge&#x017F;chlecht<lb/>
&#x017F;ich gar nicht genug decken ko&#x0364;nne: &#x017F;o wu&#x0364;rde der<lb/>
Flo&#x0364;ten&#x017F;pieler ohne Um&#x017F;ta&#x0364;nde gea&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert haben:<lb/>
&#x201E;eine freimu&#x0364;thige H &#x2014; &#x017F;ei eine kecke Heilige gegen<lb/>
&#x017F;olche Abgru&#x0364;nde feiger und eitler Sinnlichkeit zu¬<lb/>
gleich &#x2014; er kenne dergleichen Herzen, welche das<lb/>
Schlimme argwohnen, um nur es unge&#x017F;traft<lb/>
zu denken, die es wo&#x0364;rtlich bekriegen, um es<lb/>
la&#x0364;nger fe&#x017F;t zu halten, &#x2014; ja manche &#x017F;ehen &#x017F;ich<lb/>
wohl gar in der Arzneikunde ein wenig um, da¬<lb/>
mit &#x017F;ie im Namen der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft (die&#x017F;e habe<lb/>
kein Ge&#x017F;chlecht) ein un&#x017F;chuldiges Wort reden<lb/>
ko&#x0364;nnen &#x2014; und lagern &#x017F;ich vor dem Altar und<lb/>
u&#x0364;berall wie Friedrich <hi rendition="#aq">II</hi> &#x017F;o &#x017F;chlachtfertig, <hi rendition="#aq">en<lb/>
ordre de bataille</hi>, wie auf dem Sopha.&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;Warlich, &#x017F;ezt' er dazu, &#x017F;ie gehen ins leibliche,<lb/>
oder ins gei&#x017F;tige Zergliederungshaus, um die<lb/>
Leichen zu &#x2014; &#x017F;ehen. &#x201E;Un&#x017F;chuld, nur, wenn<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0069] rieth — als er, wenn eine Frau beſtimmt auf ihr Geſchlecht und auf das fremde und auf die noͤthigen Zartheiten zwiſchen beiden hinwies und es haͤufig anmerkte, wie da mancher Handkuß ſie eine unreine Seele errathen laſſe, dort man¬ cher wilde Blick, und wie das zaͤrtere Geſchlecht ſich gar nicht genug decken koͤnne: ſo wuͤrde der Floͤtenſpieler ohne Umſtaͤnde geaͤuſſert haben: „eine freimuͤthige H — ſei eine kecke Heilige gegen ſolche Abgruͤnde feiger und eitler Sinnlichkeit zu¬ gleich — er kenne dergleichen Herzen, welche das Schlimme argwohnen, um nur es ungeſtraft zu denken, die es woͤrtlich bekriegen, um es laͤnger feſt zu halten, — ja manche ſehen ſich wohl gar in der Arzneikunde ein wenig um, da¬ mit ſie im Namen der Wiſſenſchaft (dieſe habe kein Geſchlecht) ein unſchuldiges Wort reden koͤnnen — und lagern ſich vor dem Altar und uͤberall wie Friedrich II ſo ſchlachtfertig, en ordre de bataille, wie auf dem Sopha.“ — „Warlich, ſezt' er dazu, ſie gehen ins leibliche, oder ins geiſtige Zergliederungshaus, um die Leichen zu — ſehen. „Unſchuld, nur, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/69
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/69>, abgerufen am 24.11.2024.