arme verhörte Herz und war ordentlich auf sich ärgerlich, ohne Noth dem ehrlichen guten Schelm so zugesezt zu haben.
Er hätt' aber nur diesen Schelm fragen sollen, wie ihn bei zehnmal größerer Erbschaft, z. B. der Tod des Bruders gestimmt haben würde: so würd' er, wenn er gefunden hätte, daß dann die Last viel zu schwer, der Kopf zu gebeugt gewesen wäre, um nur etwas anderes zu sehen, als das Grab und den Verlust, leicht den Schluß gezogen haben, daß nur die Liebe den Schmerz erschaffe, und daß er vergeblich einen zu großen, bei einer zu kleinen für den El¬ sasser von sich gefordert.
Izt sah er ein weisses Schnupftuch, aber nicht am Thurm, sondern an Raphaelen, die im Parke traurig lustwandelte, und welcher die modische Taschenlosigkeit das Glück gewähr¬ te, diesen Schmücklappen des Gefühls, diese Flughaut der Phantasie in der Hand zu haben. Sie sah oft nach dem Thurme, einigemal an sein Fenster, grüst' ihn mitten im Schmerz; ja als wenn sie ihm winke, hinunter zu kommen,
arme verhoͤrte Herz und war ordentlich auf ſich aͤrgerlich, ohne Noth dem ehrlichen guten Schelm ſo zugeſezt zu haben.
Er haͤtt' aber nur dieſen Schelm fragen ſollen, wie ihn bei zehnmal groͤßerer Erbſchaft, z. B. der Tod des Bruders geſtimmt haben wuͤrde: ſo wuͤrd' er, wenn er gefunden haͤtte, daß dann die Laſt viel zu ſchwer, der Kopf zu gebeugt geweſen waͤre, um nur etwas anderes zu ſehen, als das Grab und den Verluſt, leicht den Schluß gezogen haben, daß nur die Liebe den Schmerz erſchaffe, und daß er vergeblich einen zu großen, bei einer zu kleinen fuͤr den El¬ ſaſſer von ſich gefordert.
Izt ſah er ein weiſſes Schnupftuch, aber nicht am Thurm, ſondern an Raphaelen, die im Parke traurig luſtwandelte, und welcher die modiſche Taſchenloſigkeit das Gluͤck gewaͤhr¬ te, dieſen Schmuͤcklappen des Gefuͤhls, dieſe Flughaut der Phantaſie in der Hand zu haben. Sie ſah oft nach dem Thurme, einigemal an ſein Fenſter, gruͤſt' ihn mitten im Schmerz; ja als wenn ſie ihm winke, hinunter zu kommen,
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arme verhoͤrte Herz und war ordentlich auf ſich
aͤrgerlich, ohne Noth dem ehrlichen guten Schelm
ſo zugeſezt zu haben.
Er haͤtt' aber nur dieſen Schelm fragen
ſollen, wie ihn bei zehnmal groͤßerer Erbſchaft,
z. B. der Tod des Bruders geſtimmt haben
wuͤrde: ſo wuͤrd' er, wenn er gefunden haͤtte,
daß dann die Laſt viel zu ſchwer, der Kopf zu
gebeugt geweſen waͤre, um nur etwas anderes
zu ſehen, als das Grab und den Verluſt, leicht
den Schluß gezogen haben, daß nur die Liebe
den Schmerz erſchaffe, und daß er vergeblich
einen zu großen, bei einer zu kleinen fuͤr den El¬
ſaſſer von ſich gefordert.
Izt ſah er ein weiſſes Schnupftuch, aber
nicht am Thurm, ſondern an Raphaelen, die
im Parke traurig luſtwandelte, und welcher
die modiſche Taſchenloſigkeit das Gluͤck gewaͤhr¬
te, dieſen Schmuͤcklappen des Gefuͤhls, dieſe
Flughaut der Phantaſie in der Hand zu haben.
Sie ſah oft nach dem Thurme, einigemal an
ſein Fenſter, gruͤſt' ihn mitten im Schmerz; ja
als wenn ſie ihm winke, hinunter zu kommen,
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/67>, abgerufen am 16.02.2025.
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