Rufe des Generals -- Antworten an Wina vor -- Endlich hört' er wirklich Wina selber im nächsten Zimmer mit ihrem Vater vom Singen sprechen. Er glühte bis zur Stirn hinauf, und bükte den unruhigen Kopf fast bis an die Feder nieder. Sie hatte jenen innigsten, herzlichsten, mehr aus der Brust als Kehle heraufgeholten Sprachton, den Weiber und Schweizer viel häufiger angeben, als andre Leute.
Indem der General eintrat und Walt flam¬ mend fortkopieren wollte: hatt' er das Unglük, daß das Mädgen Singnoten aus dem Kabinette fliegend wegholte, ohne daß er vor lauter Zart¬ heit etwas gesehen hatte, wenn man nicht die weisse Schleppe zu hoch anschlagen will. Bald darauf fieng im zweiten Zimmer ihre Singstim¬ me an -- "O nein doch, rief der General, durch die ofnen Thüren, den lezten Wunsch von Reichard meint' ich*)."
*) S. 10. in Reichards Lieder-Sammlung, worinn manche das 10te mal besser klingen, als das erste¬ mal, und Dichter und Komponist meistens ihr ge¬ genseitiges Echo sind.
Rufe des Generals — Antworten an Wina vor — Endlich hoͤrt' er wirklich Wina ſelber im naͤchſten Zimmer mit ihrem Vater vom Singen ſprechen. Er gluͤhte bis zur Stirn hinauf, und buͤkte den unruhigen Kopf faſt bis an die Feder nieder. Sie hatte jenen innigſten, herzlichſten, mehr aus der Bruſt als Kehle heraufgeholten Sprachton, den Weiber und Schweizer viel haͤufiger angeben, als andre Leute.
Indem der General eintrat und Walt flam¬ mend fortkopieren wollte: hatt' er das Ungluͤk, daß das Maͤdgen Singnoten aus dem Kabinette fliegend wegholte, ohne daß er vor lauter Zart¬ heit etwas geſehen hatte, wenn man nicht die weiſſe Schleppe zu hoch anſchlagen will. Bald darauf fieng im zweiten Zimmer ihre Singſtim¬ me an — „O nein doch, rief der General, durch die ofnen Thuͤren, den lezten Wunſch von Reichard meint' ich*).“
*) S. 10. in Reichards Lieder-Sammlung, worinn manche das 10te mal beſſer klingen, als das erſte¬ mal, und Dichter und Komponiſt meiſtens ihr ge¬ genſeitiges Echo ſind.
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Rufe des Generals — Antworten an Wina vor —
Endlich hoͤrt' er wirklich Wina ſelber im naͤchſten
Zimmer mit ihrem Vater vom Singen ſprechen.
Er gluͤhte bis zur Stirn hinauf, und buͤkte den
unruhigen Kopf faſt bis an die Feder nieder. Sie
hatte jenen innigſten, herzlichſten, mehr aus der
Bruſt als Kehle heraufgeholten Sprachton, den
Weiber und Schweizer viel haͤufiger angeben, als
andre Leute.
Indem der General eintrat und Walt flam¬
mend fortkopieren wollte: hatt' er das Ungluͤk,
daß das Maͤdgen Singnoten aus dem Kabinette
fliegend wegholte, ohne daß er vor lauter Zart¬
heit etwas geſehen hatte, wenn man nicht die
weiſſe Schleppe zu hoch anſchlagen will. Bald
darauf fieng im zweiten Zimmer ihre Singſtim¬
me an — „O nein doch, rief der General,
durch die ofnen Thuͤren, den lezten Wunſch von
Reichard meint' ich *).“
*) S. 10. in Reichards Lieder-Sammlung, worinn
manche das 10te mal beſſer klingen, als das erſte¬
mal, und Dichter und Komponiſt meiſtens ihr ge¬
genſeitiges Echo ſind.
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/35>, abgerufen am 08.07.2024.
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