Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Walt wurde unter dem Lesen aus seinem Fen¬
ster namentlich gerufen von Vult mit den freudig¬
sten Minen; er las es unterwegs gar aus. "Du
kennst, fieng jener lustig an, meine eustachische
Fama's Trompete? -- Nämlich meine kumäische
Sybille der Vergangenheit? Das heisset meine
Miethfackel? -- Himmel, verstehest du mich
noch nicht? Ich meine meine historische Oktapla
und 8 partes orationis (denn so viele Mädgen
sinds)? Zum Henker, die Schnapwaise? Die
Pension nämlich! Von dieser nun erfahr' ich
eben folgendes aus reinster Quelle, weil der Ge¬
neral, der sie zuweilen besucht, ihr, wie alle Neu¬
gierige, eben soviel vorerzählt als abhorcht.

Genau genommen ists die Dogaressa und Di¬
rektrice der Mädgen, die dem General für ein
paar Neuigkeiten und Höflichkeiten gerade soviel
Töchterseelen opfert, als mir referiren, 8. Es
war vorgestern, daß der General sein Wiegenfest
begieng, und nach seiner Sitte das h. Abendmal
vor seinem Mittagsmal nahm und darauf der
Seelen-Arzenei viel nachtrank. Die Tochter muß


Walt wurde unter dem Leſen aus ſeinem Fen¬
ſter namentlich gerufen von Vult mit den freudig¬
ſten Minen; er las es unterwegs gar aus. „Du
kennſt, fieng jener luſtig an, meine euſtachiſche
Fama's Trompete? — Naͤmlich meine kumaͤiſche
Sybille der Vergangenheit? Das heiſſet meine
Miethfackel? — Himmel, verſteheſt du mich
noch nicht? Ich meine meine hiſtoriſche Oktapla
und 8 partes orationis (denn ſo viele Maͤdgen
ſinds)? Zum Henker, die Schnapwaiſe? Die
Penſion naͤmlich! Von dieſer nun erfahr' ich
eben folgendes aus reinſter Quelle, weil der Ge¬
neral, der ſie zuweilen beſucht, ihr, wie alle Neu¬
gierige, eben ſoviel vorerzaͤhlt als abhorcht.

Genau genommen iſts die Dogareſſa und Di¬
rektrice der Maͤdgen, die dem General fuͤr ein
paar Neuigkeiten und Hoͤflichkeiten gerade ſoviel
Toͤchterſeelen opfert, als mir referiren, 8. Es
war vorgeſtern, daß der General ſein Wiegenfeſt
begieng, und nach ſeiner Sitte das h. Abendmal
vor ſeinem Mittagsmal nahm und darauf der
Seelen-Arzenei viel nachtrank. Die Tochter muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0020" n="12"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Walt wurde unter dem Le&#x017F;en aus &#x017F;einem Fen¬<lb/>
&#x017F;ter namentlich gerufen von Vult mit den freudig¬<lb/>
&#x017F;ten Minen; er las es unterwegs gar aus. &#x201E;Du<lb/>
kenn&#x017F;t, fieng jener lu&#x017F;tig an, meine eu&#x017F;tachi&#x017F;che<lb/>
Fama's Trompete? &#x2014; Na&#x0364;mlich meine kuma&#x0364;i&#x017F;che<lb/>
Sybille der Vergangenheit? Das hei&#x017F;&#x017F;et meine<lb/>
Miethfackel? &#x2014; Himmel, ver&#x017F;tehe&#x017F;t du mich<lb/>
noch nicht? Ich meine meine hi&#x017F;tori&#x017F;che Oktapla<lb/>
und 8 <hi rendition="#aq">partes orationis</hi> (denn &#x017F;o viele Ma&#x0364;dgen<lb/>
&#x017F;inds)? Zum Henker, die Schnapwai&#x017F;e? Die<lb/><hi rendition="#g">Pen&#x017F;ion</hi> na&#x0364;mlich! Von die&#x017F;er nun erfahr' ich<lb/>
eben folgendes aus rein&#x017F;ter Quelle, weil der Ge¬<lb/>
neral, der &#x017F;ie zuweilen be&#x017F;ucht, ihr, wie alle Neu¬<lb/>
gierige, eben &#x017F;oviel vorerza&#x0364;hlt als abhorcht.</p><lb/>
        <p>Genau genommen i&#x017F;ts die Dogare&#x017F;&#x017F;a und Di¬<lb/>
rektrice der Ma&#x0364;dgen, die dem General fu&#x0364;r ein<lb/>
paar Neuigkeiten und Ho&#x0364;flichkeiten gerade &#x017F;oviel<lb/>
To&#x0364;chter&#x017F;eelen opfert, als mir referiren, 8. Es<lb/>
war vorge&#x017F;tern, daß der General &#x017F;ein Wiegenfe&#x017F;t<lb/>
begieng, und nach &#x017F;einer Sitte das h. Abendmal<lb/>
vor &#x017F;einem Mittagsmal nahm und darauf der<lb/>
Seelen-Arzenei viel nachtrank. Die Tochter muß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0020] Walt wurde unter dem Leſen aus ſeinem Fen¬ ſter namentlich gerufen von Vult mit den freudig¬ ſten Minen; er las es unterwegs gar aus. „Du kennſt, fieng jener luſtig an, meine euſtachiſche Fama's Trompete? — Naͤmlich meine kumaͤiſche Sybille der Vergangenheit? Das heiſſet meine Miethfackel? — Himmel, verſteheſt du mich noch nicht? Ich meine meine hiſtoriſche Oktapla und 8 partes orationis (denn ſo viele Maͤdgen ſinds)? Zum Henker, die Schnapwaiſe? Die Penſion naͤmlich! Von dieſer nun erfahr' ich eben folgendes aus reinſter Quelle, weil der Ge¬ neral, der ſie zuweilen beſucht, ihr, wie alle Neu¬ gierige, eben ſoviel vorerzaͤhlt als abhorcht. Genau genommen iſts die Dogareſſa und Di¬ rektrice der Maͤdgen, die dem General fuͤr ein paar Neuigkeiten und Hoͤflichkeiten gerade ſoviel Toͤchterſeelen opfert, als mir referiren, 8. Es war vorgeſtern, daß der General ſein Wiegenfeſt begieng, und nach ſeiner Sitte das h. Abendmal vor ſeinem Mittagsmal nahm und darauf der Seelen-Arzenei viel nachtrank. Die Tochter muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/20
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/20>, abgerufen am 19.04.2024.