erzählte, wie schön der Garten, und besonders eine ganz blaue Laube darin sei, aus lauter blauen Blumen gewebt. Blauer Enzian -- blaue Sternblumen -- blauer Ehrenpreis -- blaue Waldreben vergitterten sich zu einem klei¬ nen Himmel, worin gerade im Herbst keine Wolke, d. h. keine Knospe war, sondern ofne Aetherkelche.
"Da die Blumen leben und schlafen, sagte Walt bei diesem Anlaß, so träumen sie gewiß auch, so gut wie Kinder und Thiere. Alle We¬ sen müssen am Ende träumen." -- "Auch die Heiligen und die h. Engel?" fragte Wi¬ na. "Ich wollte wohl sagen Ja -- sagte Walt -- insofern alle Wesen steigen, und sich also etwas Höheres träumen können." -- Ein Wesen ist aber auszunehmen, sagte Wina. -- "Gewiß! Gott träumet nicht. Aber wenn ich nun die Blumen wieder betrachte, so mag wohl in ihren zarten Hüllen der dunkle Traum von einem leichtern Traume blühen. Ihre duftende Seele ist Nachts zugehüllt, nicht durch blosse Blätter, sondern wahrhaft organisch, wie denn
erzaͤhlte, wie ſchoͤn der Garten, und beſonders eine ganz blaue Laube darin ſei, aus lauter blauen Blumen gewebt. Blauer Enzian — blaue Sternblumen — blauer Ehrenpreis — blaue Waldreben vergitterten ſich zu einem klei¬ nen Himmel, worin gerade im Herbſt keine Wolke, d. h. keine Knoſpe war, ſondern ofne Aetherkelche.
„Da die Blumen leben und ſchlafen, ſagte Walt bei dieſem Anlaß, ſo traͤumen ſie gewiß auch, ſo gut wie Kinder und Thiere. Alle We¬ ſen muͤſſen am Ende traͤumen.“ — „Auch die Heiligen und die h. Engel?“ fragte Wi¬ na. „Ich wollte wohl ſagen Ja — ſagte Walt — inſofern alle Weſen ſteigen, und ſich alſo etwas Hoͤheres traͤumen koͤnnen.“ — Ein Weſen iſt aber auszunehmen, ſagte Wina. — „Gewiß! Gott traͤumet nicht. Aber wenn ich nun die Blumen wieder betrachte, ſo mag wohl in ihren zarten Huͤllen der dunkle Traum von einem leichtern Traume bluͤhen. Ihre duftende Seele iſt Nachts zugehuͤllt, nicht durch bloſſe Blaͤtter, ſondern wahrhaft organiſch, wie denn
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erzaͤhlte, wie ſchoͤn der Garten, und beſonders
eine ganz blaue Laube darin ſei, aus lauter
blauen Blumen gewebt. Blauer Enzian —
blaue Sternblumen — blauer Ehrenpreis —
blaue Waldreben vergitterten ſich zu einem klei¬
nen Himmel, worin gerade im Herbſt keine
Wolke, d. h. keine Knoſpe war, ſondern ofne
Aetherkelche.
„Da die Blumen leben und ſchlafen, ſagte
Walt bei dieſem Anlaß, ſo traͤumen ſie gewiß
auch, ſo gut wie Kinder und Thiere. Alle We¬
ſen muͤſſen am Ende traͤumen.“ — „Auch
die Heiligen und die h. Engel?“ fragte Wi¬
na. „Ich wollte wohl ſagen Ja — ſagte
Walt — inſofern alle Weſen ſteigen, und ſich
alſo etwas Hoͤheres traͤumen koͤnnen.“ — Ein
Weſen iſt aber auszunehmen, ſagte Wina. —
„Gewiß! Gott traͤumet nicht. Aber wenn ich
nun die Blumen wieder betrachte, ſo mag wohl
in ihren zarten Huͤllen der dunkle Traum von
einem leichtern Traume bluͤhen. Ihre duftende
Seele iſt Nachts zugehuͤllt, nicht durch bloſſe
Blaͤtter, ſondern wahrhaft organiſch, wie denn
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/195>, abgerufen am 31.07.2024.
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