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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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solche Postschiffe der Gesellschaft meist platte Ge¬
hirne tragen, auf deren Tenne nie die Blumen
wachsen, die sie da aufspeichern und auf¬
troknen.

"Ich sinne noch nach" versezte Walt, ge¬
ängstigt, einem Blicke Zablocki's, und flehte Gott
um einigen Spaß an; denn noch sah er, daß
er eigentlich nur über das Sinnen sinne, und
dessen Wichtigkeit. Die Tochter reichte dem Vater
die Flasche, die nur er -- seine Briefe aber sie --
aufsiegelte. "Trinken Sie dies Gewächs für
48ger oder 83ger?" sagte der General, als man
Walten das Glas bot. Er trank mit der Seele
auf der Zunge und suchte forschend an die Decke
zu blicken. "Er mag wohl, versezt' er, um die
Hälfte älter sein, als mein voriger Wein, den
ich eher für jungen 48ger halte; -- ja, (sezt'
er fest darzu, und blikte ins Glas,) er ist gewiß
herrliche 83 Jahre alt." Zablocki lächelte, weil
er eine Anekdote, statt zu hören, erlebte, die er
schön weiter geben konnte.

Der General wollt' ihn aus dem stillen in¬
nerlichen Schnappen nach Bonmots herausfra¬

ſolche Poſtſchiffe der Geſellſchaft meiſt platte Ge¬
hirne tragen, auf deren Tenne nie die Blumen
wachſen, die ſie da aufſpeichern und auf¬
troknen.

„Ich ſinne noch nach“ verſezte Walt, ge¬
aͤngſtigt, einem Blicke Zablocki's, und flehte Gott
um einigen Spaß an; denn noch ſah er, daß
er eigentlich nur uͤber das Sinnen ſinne, und
deſſen Wichtigkeit. Die Tochter reichte dem Vater
die Flaſche, die nur er — ſeine Briefe aber ſie —
aufſiegelte. „Trinken Sie dies Gewaͤchs fuͤr
48ger oder 83ger?“ ſagte der General, als man
Walten das Glas bot. Er trank mit der Seele
auf der Zunge und ſuchte forſchend an die Decke
zu blicken. „Er mag wohl, verſezt' er, um die
Haͤlfte aͤlter ſein, als mein voriger Wein, den
ich eher fuͤr jungen 48ger halte; — ja, (ſezt'
er feſt darzu, und blikte ins Glas,) er iſt gewiß
herrliche 83 Jahre alt.“ Zablocki laͤchelte, weil
er eine Anekdote, ſtatt zu hoͤren, erlebte, die er
ſchoͤn weiter geben konnte.

Der General wollt' ihn aus dem ſtillen in¬
nerlichen Schnappen nach Bonmots herausfra¬

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[175/0183] ſolche Poſtſchiffe der Geſellſchaft meiſt platte Ge¬ hirne tragen, auf deren Tenne nie die Blumen wachſen, die ſie da aufſpeichern und auf¬ troknen. „Ich ſinne noch nach“ verſezte Walt, ge¬ aͤngſtigt, einem Blicke Zablocki's, und flehte Gott um einigen Spaß an; denn noch ſah er, daß er eigentlich nur uͤber das Sinnen ſinne, und deſſen Wichtigkeit. Die Tochter reichte dem Vater die Flaſche, die nur er — ſeine Briefe aber ſie — aufſiegelte. „Trinken Sie dies Gewaͤchs fuͤr 48ger oder 83ger?“ ſagte der General, als man Walten das Glas bot. Er trank mit der Seele auf der Zunge und ſuchte forſchend an die Decke zu blicken. „Er mag wohl, verſezt' er, um die Haͤlfte aͤlter ſein, als mein voriger Wein, den ich eher fuͤr jungen 48ger halte; — ja, (ſezt' er feſt darzu, und blikte ins Glas,) er iſt gewiß herrliche 83 Jahre alt.“ Zablocki laͤchelte, weil er eine Anekdote, ſtatt zu hoͤren, erlebte, die er ſchoͤn weiter geben konnte. Der General wollt' ihn aus dem ſtillen in¬ nerlichen Schnappen nach Bonmots herausfra¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/183>, abgerufen am 05.05.2024.