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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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zweimal hört, gleichsam ein geistiger Doppelt¬
gänger.

Mit Flitten, der so leer an Realien war,
als Gottwalt an Personalien, konnte dieser we¬
nig anfangen. Indeß sprach, sang und tanzte
der Elsasser so gut es gieng, trat oft ans Fen¬
ster, und oft ans Bücherbret und suchte darüber
etwas zu sagen, weil er gern von jedem, mit
dem prahlte, was jeder eben war. Einige Men¬
schen sind Klaviere, die nur einsam zu spielen
sind, manche sind Flügel, die in ein Konzert
gehören; Flitte konnte nur vor vielen reden; und
blieb im Duett fast zu dumm.

Als endlich der gute Notar an der Lang¬
weile, die er zu machen glaubte, selber eine fand
-- denn im Gespräch, wie im Pharao, ist erwie¬
sen der Gewinn (des Vergnügens wie des Gel¬
des) nie größer als der Einsaz von beiden: so
studirte er am Elsasser heimlich den Franzosen,
(denn Elsas, sagt' er, ist doch französisch genug)
und goß ihn im Vorbeigehen ab, für den Abgu߬
saal seines Romans und hob ihn auf.

Unter dem Gießen macht' er plözlich das

zweimal hoͤrt, gleichſam ein geiſtiger Doppelt¬
gaͤnger.

Mit Flitten, der ſo leer an Realien war,
als Gottwalt an Perſonalien, konnte dieſer we¬
nig anfangen. Indeß ſprach, ſang und tanzte
der Elſaſſer ſo gut es gieng, trat oft ans Fen¬
ſter, und oft ans Buͤcherbret und ſuchte daruͤber
etwas zu ſagen, weil er gern von jedem, mit
dem prahlte, was jeder eben war. Einige Men¬
ſchen ſind Klaviere, die nur einſam zu ſpielen
ſind, manche ſind Fluͤgel, die in ein Konzert
gehoͤren; Flitte konnte nur vor vielen reden; und
blieb im Duett faſt zu dumm.

Als endlich der gute Notar an der Lang¬
weile, die er zu machen glaubte, ſelber eine fand
— denn im Geſpraͤch, wie im Pharao, iſt erwie¬
ſen der Gewinn (des Vergnuͤgens wie des Gel¬
des) nie groͤßer als der Einſaz von beiden: ſo
ſtudirte er am Elſaſſer heimlich den Franzoſen,
(denn Elſas, ſagt' er, iſt doch franzoͤſiſch genug)
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[8/0016] zweimal hoͤrt, gleichſam ein geiſtiger Doppelt¬ gaͤnger. Mit Flitten, der ſo leer an Realien war, als Gottwalt an Perſonalien, konnte dieſer we¬ nig anfangen. Indeß ſprach, ſang und tanzte der Elſaſſer ſo gut es gieng, trat oft ans Fen¬ ſter, und oft ans Buͤcherbret und ſuchte daruͤber etwas zu ſagen, weil er gern von jedem, mit dem prahlte, was jeder eben war. Einige Men¬ ſchen ſind Klaviere, die nur einſam zu ſpielen ſind, manche ſind Fluͤgel, die in ein Konzert gehoͤren; Flitte konnte nur vor vielen reden; und blieb im Duett faſt zu dumm. Als endlich der gute Notar an der Lang¬ weile, die er zu machen glaubte, ſelber eine fand — denn im Geſpraͤch, wie im Pharao, iſt erwie¬ ſen der Gewinn (des Vergnuͤgens wie des Gel¬ des) nie groͤßer als der Einſaz von beiden: ſo ſtudirte er am Elſaſſer heimlich den Franzoſen, (denn Elſas, ſagt' er, iſt doch franzoͤſiſch genug) und goß ihn im Vorbeigehen ab, fuͤr den Abgu߬ ſaal ſeines Romans und hob ihn auf. Unter dem Gießen macht' er ploͤzlich das

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/16>, abgerufen am 20.04.2024.