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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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Vesuv, gerade höher durch Auswerfen von Hö¬
hen und Hohen um ihn her -- und mein Grund
ist dieser: weil du, gesezt dir würde irgend eine
bedeutende männliche oder weibliche Hof-ja Re¬
gierungs-Charge zu Theil, doch nicht eher ein
ruhiges Leben und eine starke Pension bekämest,
als nach einem tapfern verflucht grossen Fehltritt
oder bei gänzlicher Untauglichkeit zu irgend et¬
was, worauf der Hof-Mensch Abschied und
Pension begehrt und nimmt, gleich dem verur¬
theilten Sokrates, der sich eine ähnliche Strafe
vor Gericht diktirte, nämlich lebenslänglichen
Freitisch als Prytan; wie untüchtig aber du zu
rechter Untüchtigkeit bist, das weist du am be¬
sten -- Kannst du wählen auf deiner Spannen-
Reise, so besuche lieber den grösten europäischen
Hof als die kleinsten deutschen, welche jenen in
nichts übertreffen (in den Vorzügen am wenig¬
sten) als in den Nachtheilen, wie man denn
wahrgenommen, daß auch die Seekrankheit (was
sie giebt und nimmt, kennst du) viel ärger
würgt auf Seen als auf Meeren -- Suche dein
Heil an Höfen mehr in groben Thaten als in

Veſuv, gerade hoͤher durch Auswerfen von Hoͤ¬
hen und Hohen um ihn her — und mein Grund
iſt dieſer: weil du, geſezt dir wuͤrde irgend eine
bedeutende maͤnnliche oder weibliche Hof-ja Re¬
gierungs-Charge zu Theil, doch nicht eher ein
ruhiges Leben und eine ſtarke Penſion bekaͤmeſt,
als nach einem tapfern verflucht groſſen Fehltritt
oder bei gaͤnzlicher Untauglichkeit zu irgend et¬
was, worauf der Hof-Menſch Abſchied und
Penſion begehrt und nimmt, gleich dem verur¬
theilten Sokrates, der ſich eine aͤhnliche Strafe
vor Gericht diktirte, naͤmlich lebenslaͤnglichen
Freitiſch als Prytan; wie untuͤchtig aber du zu
rechter Untuͤchtigkeit biſt, das weiſt du am be¬
ſten — Kannſt du waͤhlen auf deiner Spannen-
Reiſe, ſo beſuche lieber den groͤſten europaͤiſchen
Hof als die kleinſten deutſchen, welche jenen in
nichts uͤbertreffen (in den Vorzuͤgen am wenig¬
ſten) als in den Nachtheilen, wie man denn
wahrgenommen, daß auch die Seekrankheit (was
ſie giebt und nimmt, kennſt du) viel aͤrger
wuͤrgt auf Seen als auf Meeren — Suche dein
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[136/0144] Veſuv, gerade hoͤher durch Auswerfen von Hoͤ¬ hen und Hohen um ihn her — und mein Grund iſt dieſer: weil du, geſezt dir wuͤrde irgend eine bedeutende maͤnnliche oder weibliche Hof-ja Re¬ gierungs-Charge zu Theil, doch nicht eher ein ruhiges Leben und eine ſtarke Penſion bekaͤmeſt, als nach einem tapfern verflucht groſſen Fehltritt oder bei gaͤnzlicher Untauglichkeit zu irgend et¬ was, worauf der Hof-Menſch Abſchied und Penſion begehrt und nimmt, gleich dem verur¬ theilten Sokrates, der ſich eine aͤhnliche Strafe vor Gericht diktirte, naͤmlich lebenslaͤnglichen Freitiſch als Prytan; wie untuͤchtig aber du zu rechter Untuͤchtigkeit biſt, das weiſt du am be¬ ſten — Kannſt du waͤhlen auf deiner Spannen- Reiſe, ſo beſuche lieber den groͤſten europaͤiſchen Hof als die kleinſten deutſchen, welche jenen in nichts uͤbertreffen (in den Vorzuͤgen am wenig¬ ſten) als in den Nachtheilen, wie man denn wahrgenommen, daß auch die Seekrankheit (was ſie giebt und nimmt, kennſt du) viel aͤrger wuͤrgt auf Seen als auf Meeren — Suche dein Heil an Hoͤfen mehr in groben Thaten als in

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/144>, abgerufen am 23.11.2024.