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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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nen Krug eintratest, ein dir ganz ähnliches We¬
sen vorher hinschlüpfen sehen ließ, nur aber
glänzender, viel schöner, mit Flügelgen, wovon
bald ein dunkelblauer bald ein hellrother Strahl,
so wie es sie bewegte, meinen Wolken-Siz ganz
durchfärbte; ich vermuthe also, daß der Traum
damit nicht dich -- denn den langhosigen Gelb¬
rock zeigt' er mir zu deutlich -- sondern deinen
Genius andeuten wollte."

-- Vor Bewegung konnte Walt kaum wei¬
ter lesen; denn jezt fand er das Räthsel fast auf¬
gelößt, wenn nicht verdoppelt -- durch ein
grösseres -- warum nämlich der Härmlesberger
Wirth seinen Namen kannte, warum bei dem
Grünbrunner derselbe dem Kinde im Schreibbu¬
che vorgezeichnet war, und warum er bei dem
Bildermann das seltsame Quodlibet gefunden.
Ordentlich aus Scheu, nun weiter und tiefer in
die aufgedeckte Geisterwelt des Briefs hineinzuse¬
hen, erhob er in sich einige Zweifel über die
Wahrhaftigkeit desselben, und fragte den trin¬
kenden Postreiter, wann und von wem er den
Brief bekommen. "Das weiß ich nicht, Herr,

nen Krug eintrateſt, ein dir ganz aͤhnliches We¬
ſen vorher hinſchluͤpfen ſehen ließ, nur aber
glaͤnzender, viel ſchoͤner, mit Fluͤgelgen, wovon
bald ein dunkelblauer bald ein hellrother Strahl,
ſo wie es ſie bewegte, meinen Wolken-Siz ganz
durchfaͤrbte; ich vermuthe alſo, daß der Traum
damit nicht dich — denn den langhoſigen Gelb¬
rock zeigt' er mir zu deutlich — ſondern deinen
Genius andeuten wollte.“

— Vor Bewegung konnte Walt kaum wei¬
ter leſen; denn jezt fand er das Raͤthſel faſt auf¬
geloͤßt, wenn nicht verdoppelt — durch ein
groͤſſeres — warum naͤmlich der Haͤrmlesberger
Wirth ſeinen Namen kannte, warum bei dem
Gruͤnbrunner derſelbe dem Kinde im Schreibbu¬
che vorgezeichnet war, und warum er bei dem
Bildermann das ſeltſame Quodlibet gefunden.
Ordentlich aus Scheu, nun weiter und tiefer in
die aufgedeckte Geiſterwelt des Briefs hineinzuſe¬
hen, erhob er in ſich einige Zweifel uͤber die
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kenden Poſtreiter, wann und von wem er den
Brief bekommen. „Das weiß ich nicht, Herr,

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[128/0136] nen Krug eintrateſt, ein dir ganz aͤhnliches We¬ ſen vorher hinſchluͤpfen ſehen ließ, nur aber glaͤnzender, viel ſchoͤner, mit Fluͤgelgen, wovon bald ein dunkelblauer bald ein hellrother Strahl, ſo wie es ſie bewegte, meinen Wolken-Siz ganz durchfaͤrbte; ich vermuthe alſo, daß der Traum damit nicht dich — denn den langhoſigen Gelb¬ rock zeigt' er mir zu deutlich — ſondern deinen Genius andeuten wollte.“ — Vor Bewegung konnte Walt kaum wei¬ ter leſen; denn jezt fand er das Raͤthſel faſt auf¬ geloͤßt, wenn nicht verdoppelt — durch ein groͤſſeres — warum naͤmlich der Haͤrmlesberger Wirth ſeinen Namen kannte, warum bei dem Gruͤnbrunner derſelbe dem Kinde im Schreibbu¬ che vorgezeichnet war, und warum er bei dem Bildermann das ſeltſame Quodlibet gefunden. Ordentlich aus Scheu, nun weiter und tiefer in die aufgedeckte Geiſterwelt des Briefs hineinzuſe¬ hen, erhob er in ſich einige Zweifel uͤber die Wahrhaftigkeit deſſelben, und fragte den trin¬ kenden Poſtreiter, wann und von wem er den Brief bekommen. „Das weiß ich nicht, Herr,

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/136>, abgerufen am 23.11.2024.