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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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sehr an den verlornen Klothar dachte, weil er
eben im Buch Freudenfeste findender und ge¬
fundner Seelen begieng. Mit eigner wehmüthi¬
ger Freude schrieb er jezt daran unter dem Be¬
trauern des abgestorbenen Freundes, so wie sonst
mit Schmerzen unter dem Nachjagen nach ihm;
und wunderte sich über den Unterschied.

Der schöne Begeisterungs-Mittag bei Neu¬
peter, auf welchen ihn Vult durch seinen Dank
zurückführte, stellte ihm den Grafen zu nahe
wieder an die Brust; er bekannte es dem Bru¬
der ganz offen, wie ihm der Ferne mit seinem
ausgeleerten Dasein und mit der verlornen Wina
immer in dem Kopfe liege und so schwer auf
der Brust -- wie er ihn einsam in dem zugesperr¬
ten Wagen sitzen und zurückdenken sehe -- wie
ihn ein solcher aus seinem Himmel in einen Kä¬
fig getriebene Adler erbarme und wie darum
keine Marter bitterer auf der Erde gefunden
werde, als das Bewustsein, einem edlen Geist
irgend eine zugeführt zu haben. O Vult, trö¬
ste mich nur recht, wenn du kannst -- sagt er
bei dem heftigsten Ausbruch -- Mein unschul¬

ſehr an den verlornen Klothar dachte, weil er
eben im Buch Freudenfeſte findender und ge¬
fundner Seelen begieng. Mit eigner wehmuͤthi¬
ger Freude ſchrieb er jezt daran unter dem Be¬
trauern des abgeſtorbenen Freundes, ſo wie ſonſt
mit Schmerzen unter dem Nachjagen nach ihm;
und wunderte ſich uͤber den Unterſchied.

Der ſchoͤne Begeiſterungs-Mittag bei Neu¬
peter, auf welchen ihn Vult durch ſeinen Dank
zuruͤckfuͤhrte, ſtellte ihm den Grafen zu nahe
wieder an die Bruſt; er bekannte es dem Bru¬
der ganz offen, wie ihm der Ferne mit ſeinem
ausgeleerten Daſein und mit der verlornen Wina
immer in dem Kopfe liege und ſo ſchwer auf
der Bruſt — wie er ihn einſam in dem zugeſperr¬
ten Wagen ſitzen und zuruͤckdenken ſehe — wie
ihn ein ſolcher aus ſeinem Himmel in einen Kaͤ¬
fig getriebene Adler erbarme und wie darum
keine Marter bitterer auf der Erde gefunden
werde, als das Bewuſtſein, einem edlen Geiſt
irgend eine zugefuͤhrt zu haben. O Vult, troͤ¬
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bei dem heftigſten Ausbruch — Mein unſchul¬

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[4/0012] ſehr an den verlornen Klothar dachte, weil er eben im Buch Freudenfeſte findender und ge¬ fundner Seelen begieng. Mit eigner wehmuͤthi¬ ger Freude ſchrieb er jezt daran unter dem Be¬ trauern des abgeſtorbenen Freundes, ſo wie ſonſt mit Schmerzen unter dem Nachjagen nach ihm; und wunderte ſich uͤber den Unterſchied. Der ſchoͤne Begeiſterungs-Mittag bei Neu¬ peter, auf welchen ihn Vult durch ſeinen Dank zuruͤckfuͤhrte, ſtellte ihm den Grafen zu nahe wieder an die Bruſt; er bekannte es dem Bru¬ der ganz offen, wie ihm der Ferne mit ſeinem ausgeleerten Daſein und mit der verlornen Wina immer in dem Kopfe liege und ſo ſchwer auf der Bruſt — wie er ihn einſam in dem zugeſperr¬ ten Wagen ſitzen und zuruͤckdenken ſehe — wie ihn ein ſolcher aus ſeinem Himmel in einen Kaͤ¬ fig getriebene Adler erbarme und wie darum keine Marter bitterer auf der Erde gefunden werde, als das Bewuſtſein, einem edlen Geiſt irgend eine zugefuͤhrt zu haben. O Vult, troͤ¬ ſte mich nur recht, wenn du kannſt — ſagt er bei dem heftigſten Ausbruch — Mein unſchul¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/12>, abgerufen am 19.04.2024.