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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804.

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darüber erstaunt, und fragte den Wirth, ob er
etwan Harnisch heisse. "Karner ist mein Na¬
me" sagte dieser. Walt zeigte ihm das Buch
und sagte, er selber heisse wie da stehe. Der Wirth
fragte grob, ob er denn auch wie die vorige Sei¬
te heisse: Hammel -- Knorren -- Schwanz -- etc.

Jezt wollte der Notar wieder Flügel anstatt
der Pferde nehmen und fort, und vorher bezah¬
len, als ihn ein Bettelmann dadurch aufhielt
und erfreuete, daß er sein Allmosen in Natura¬
lien eintreiben wollte, und um ein Glas Bier
bettelte, wahrscheinlich ein stiller Anhänger des
physiokratischen Systems. Da der Mann unter
dem Einkassiren der kleinen Naturalbesoldung
seinen Bettelstab in eine Ecke stellte: so gab das
dem Notar Gelegenheit, diesen dornigen, schwe¬
ren Stab in die Hand zu nehmen. Walt hob
und schwang ihn mit dem besondern Gefühl, daß
er nun den Bettelstab, wovon er so oft gehört
und gelesen, wirklich in Händen halte.

Zulezt -- da er sich es immer wärmer aus¬
einander sezte, wie das der lezte und dünnste Mast
eines entmasteten Lebens, ein so dürrer Zweig

daruͤber erſtaunt, und fragte den Wirth, ob er
etwan Harniſch heiſſe. „Karner iſt mein Na¬
me“ ſagte dieſer. Walt zeigte ihm das Buch
und ſagte, er ſelber heiſſe wie da ſtehe. Der Wirth
fragte grob, ob er denn auch wie die vorige Sei¬
te heiſſe: Hammel — Knorren — Schwanz — ꝛc.

Jezt wollte der Notar wieder Fluͤgel anſtatt
der Pferde nehmen und fort, und vorher bezah¬
len, als ihn ein Bettelmann dadurch aufhielt
und erfreuete, daß er ſein Allmoſen in Natura¬
lien eintreiben wollte, und um ein Glas Bier
bettelte, wahrſcheinlich ein ſtiller Anhaͤnger des
phyſiokratiſchen Syſtems. Da der Mann unter
dem Einkaſſiren der kleinen Naturalbeſoldung
ſeinen Bettelſtab in eine Ecke ſtellte: ſo gab das
dem Notar Gelegenheit, dieſen dornigen, ſchwe¬
ren Stab in die Hand zu nehmen. Walt hob
und ſchwang ihn mit dem beſondern Gefuͤhl, daß
er nun den Bettelſtab, wovon er ſo oft gehoͤrt
und geleſen, wirklich in Haͤnden halte.

Zulezt — da er ſich es immer waͤrmer aus¬
einander ſezte, wie das der lezte und duͤnnſte Maſt
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[102/0110] daruͤber erſtaunt, und fragte den Wirth, ob er etwan Harniſch heiſſe. „Karner iſt mein Na¬ me“ ſagte dieſer. Walt zeigte ihm das Buch und ſagte, er ſelber heiſſe wie da ſtehe. Der Wirth fragte grob, ob er denn auch wie die vorige Sei¬ te heiſſe: Hammel — Knorren — Schwanz — ꝛc. Jezt wollte der Notar wieder Fluͤgel anſtatt der Pferde nehmen und fort, und vorher bezah¬ len, als ihn ein Bettelmann dadurch aufhielt und erfreuete, daß er ſein Allmoſen in Natura¬ lien eintreiben wollte, und um ein Glas Bier bettelte, wahrſcheinlich ein ſtiller Anhaͤnger des phyſiokratiſchen Syſtems. Da der Mann unter dem Einkaſſiren der kleinen Naturalbeſoldung ſeinen Bettelſtab in eine Ecke ſtellte: ſo gab das dem Notar Gelegenheit, dieſen dornigen, ſchwe¬ ren Stab in die Hand zu nehmen. Walt hob und ſchwang ihn mit dem beſondern Gefuͤhl, daß er nun den Bettelſtab, wovon er ſo oft gehoͤrt und geleſen, wirklich in Haͤnden halte. Zulezt — da er ſich es immer waͤrmer aus¬ einander ſezte, wie das der lezte und duͤnnſte Maſt eines entmaſteten Lebens, ein ſo duͤrrer Zweig

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 3. Tübingen, 1804, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre03_1804/110>, abgerufen am 04.05.2024.