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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804.

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es eine große Zeit, wo noch Götter die Weltge¬
schichte lenkten, und darinn mitspielten, daher
ist Herodot so poetisch wie Homer. -- Gemeine
Seelen machen in der Hexen-Geschichte alles
zum Werk der Einbildung. Wer aber viele Hexen¬
prozesse gelesen, findet es unmöglich. Eine durch
Völker und Zeiten reichende Einbildung festge¬
haltener, nuanzirter Thatsachen ist so unmöglich
als die Einbildung einer Nazion, daß sie einen
Krieg oder König habe, der nicht ist. Will
man die Einbildung als Kopie einer solchen all¬
gemeinen Einbildung erklären, so hat man das
Urbild vorher zu deduziren. Meist waren alte,
dürftige, einfältige Frauen die Aktrizen des
Trauerspiels, mithin gerade am wenigsten fähig
der Phantasie; auch mahlt die Phantasie mehr
ins Große und Verschiedene zugleich. Hier fin¬
det man nur erbärmliche wiederhohlte Geschich¬
ten der Nachbarschaft -- der Buhle, der Teufel,
begleitet in gemeiner Kleidung die Frau zu Fuße
auf irgend einen benachbarten Berg, wo sie
Tanz, bekannte Spielleute, elendes Essen und
Trinken, lauter Bekannte aus dem Dorfe an¬

es eine große Zeit, wo noch Goͤtter die Weltge¬
ſchichte lenkten, und darinn mitſpielten, daher
iſt Herodot ſo poetiſch wie Homer. — Gemeine
Seelen machen in der Hexen-Geſchichte alles
zum Werk der Einbildung. Wer aber viele Hexen¬
prozeſſe geleſen, findet es unmoͤglich. Eine durch
Voͤlker und Zeiten reichende Einbildung feſtge¬
haltener, nuanzirter Thatſachen iſt ſo unmoͤglich
als die Einbildung einer Nazion, daß ſie einen
Krieg oder Koͤnig habe, der nicht iſt. Will
man die Einbildung als Kopie einer ſolchen all¬
gemeinen Einbildung erklaͤren, ſo hat man das
Urbild vorher zu deduziren. Meiſt waren alte,
duͤrftige, einfaͤltige Frauen die Aktrizen des
Trauerſpiels, mithin gerade am wenigſten faͤhig
der Phantaſie; auch mahlt die Phantaſie mehr
ins Große und Verſchiedene zugleich. Hier fin¬
det man nur erbaͤrmliche wiederhohlte Geſchich¬
ten der Nachbarſchaft — der Buhle, der Teufel,
begleitet in gemeiner Kleidung die Frau zu Fuße
auf irgend einen benachbarten Berg, wo ſie
Tanz, bekannte Spielleute, elendes Eſſen und
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[84/0092] es eine große Zeit, wo noch Goͤtter die Weltge¬ ſchichte lenkten, und darinn mitſpielten, daher iſt Herodot ſo poetiſch wie Homer. — Gemeine Seelen machen in der Hexen-Geſchichte alles zum Werk der Einbildung. Wer aber viele Hexen¬ prozeſſe geleſen, findet es unmoͤglich. Eine durch Voͤlker und Zeiten reichende Einbildung feſtge¬ haltener, nuanzirter Thatſachen iſt ſo unmoͤglich als die Einbildung einer Nazion, daß ſie einen Krieg oder Koͤnig habe, der nicht iſt. Will man die Einbildung als Kopie einer ſolchen all¬ gemeinen Einbildung erklaͤren, ſo hat man das Urbild vorher zu deduziren. Meiſt waren alte, duͤrftige, einfaͤltige Frauen die Aktrizen des Trauerſpiels, mithin gerade am wenigſten faͤhig der Phantaſie; auch mahlt die Phantaſie mehr ins Große und Verſchiedene zugleich. Hier fin¬ det man nur erbaͤrmliche wiederhohlte Geſchich¬ ten der Nachbarſchaft — der Buhle, der Teufel, begleitet in gemeiner Kleidung die Frau zu Fuße auf irgend einen benachbarten Berg, wo ſie Tanz, bekannte Spielleute, elendes Eſſen und Trinken, lauter Bekannte aus dem Dorfe an¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/92>, abgerufen am 23.11.2024.