absprechende Kauffrau überrumpelt, die zwar in den Zeiten hübsch gewesen, wo sie Gellerten reiten sehen, die aber jezt -- aus ihren eignen Relikten bestehend -- als ihr eignes Gebeinhaus -- als ihre eigne bunte Toilettenschachtel, -- ihren kostbaren Anzug zum bemalten metalli¬ schen mit Samt ausgeschlagenen, mit vergolde¬ ten Handheben beschlagenen Prunksarg ihrer gepu¬ derten Leiche machte. Walt hatte gar nicht wild sein wollen, nur gerecht. Man hörte seine vor¬ laute Phrasis mit kurzem Erstaunen und Ver¬ achten an. Neupeter aber nahm sofort den Faden auf: "Bulgen, sagte er zur Frau in an¬ getrunkener Barmherzigkeit, ich will, weils doch eine arme Haut sein soll und noch dazu blind, drei Billette für euch Weibsen holen lassen vom povern Wicht."
"Die ganze Stadt geht hin, sagte Raphae¬ la, auch meine theuerste Wina. O! Dank, cher pere! Wenn ich den Unglücklichen höre, zu¬ mahl im Adagio, ich freue mich darauf, ich weis, da "sammlen sich alle gefangnen Thränen
abſprechende Kauffrau uͤberrumpelt, die zwar in den Zeiten huͤbſch geweſen, wo ſie Gellerten reiten ſehen, die aber jezt — aus ihren eignen Relikten beſtehend — als ihr eignes Gebeinhaus — als ihre eigne bunte Toilettenſchachtel, — ihren koſtbaren Anzug zum bemalten metalli¬ ſchen mit Samt ausgeſchlagenen, mit vergolde¬ ten Handheben beſchlagenen Prunkſarg ihrer gepu¬ derten Leiche machte. Walt hatte gar nicht wild ſein wollen, nur gerecht. Man hoͤrte ſeine vor¬ laute Phraſis mit kurzem Erſtaunen und Ver¬ achten an. Neupeter aber nahm ſofort den Faden auf: „Bulgen, ſagte er zur Frau in an¬ getrunkener Barmherzigkeit, ich will, weils doch eine arme Haut ſein ſoll und noch dazu blind, drei Billette fuͤr euch Weibſen holen laſſen vom povern Wicht.”
„Die ganze Stadt geht hin, ſagte Raphae¬ la, auch meine theuerſte Wina. O! Dank, cher père! Wenn ich den Ungluͤcklichen hoͤre, zu¬ mahl im Adagio, ich freue mich darauf, ich weis, da „ſammlen ſich alle gefangnen Thraͤnen
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abſprechende Kauffrau uͤberrumpelt, die zwar
in den Zeiten huͤbſch geweſen, wo ſie Gellerten
reiten ſehen, die aber jezt — aus ihren eignen
Relikten beſtehend — als ihr eignes Gebeinhaus
— als ihre eigne bunte Toilettenſchachtel, —
ihren koſtbaren Anzug zum bemalten metalli¬
ſchen mit Samt ausgeſchlagenen, mit vergolde¬
ten Handheben beſchlagenen Prunkſarg ihrer gepu¬
derten Leiche machte. Walt hatte gar nicht wild
ſein wollen, nur gerecht. Man hoͤrte ſeine vor¬
laute Phraſis mit kurzem Erſtaunen und Ver¬
achten an. Neupeter aber nahm ſofort den
Faden auf: „Bulgen, ſagte er zur Frau in an¬
getrunkener Barmherzigkeit, ich will, weils doch
eine arme Haut ſein ſoll und noch dazu blind,
drei Billette fuͤr euch Weibſen holen laſſen vom
povern Wicht.”
„Die ganze Stadt geht hin, ſagte Raphae¬
la, auch meine theuerſte Wina. O! Dank, cher
père! Wenn ich den Ungluͤcklichen hoͤre, zu¬
mahl im Adagio, ich freue mich darauf, ich
weis, da „ſammlen ſich alle gefangnen Thraͤnen
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/84>, abgerufen am 17.02.2025.
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