de Ton-Meister, die man stets laut beklatscht, und nur hinter ihrem Rücken auspfeift, sind fast noch eitler als Schauspieler, welche doch zuwei¬ len eine gute Monathsschrift kneipt und ärgert. "Ich darf mich -- versezte Vult -- wohl, ohne die Bescheidenheit zu verletzen, einiger Beschei¬ denheit rühmen. Aber wie hörtest du? Voraus und zurück, oder nur so vor dich hin? Das Volck hört wie das Vieh nur Gegenwart, nicht die beiden Polar-Zeiten, nur musikalische Syl¬ ben, keine Syntax. Ein guter Hörer des Worts prägt sich den Vordersaz eines musikalischen Pe¬ rioden ein, um den Nachsaz schön zu fassen."
Der Notar erklärte sich darüber ganz ver¬ gnügt; er theilte dem Flautisten die gewaltige Verstärckung des Eindrucks mit, die er selber der Flöte durch die Szenen-Träume, durch die Mädgen und durch Wina zugeschickt, ohne zu errathen, daß Vultens ganzes Gesicht an die¬ sem Lorbeer verzogen käue, weil er den Unmuth seinem mangelhaften Strekvers zuschrieb, worinn der Virtuose las. Dieser hatte das Gedicht in der Hoffnung aufgenommen, es lobe keine an¬
de Ton-Meiſter, die man ſtets laut beklatſcht, und nur hinter ihrem Ruͤcken auspfeift, ſind faſt noch eitler als Schauſpieler, welche doch zuwei¬ len eine gute Monathsſchrift kneipt und aͤrgert. „Ich darf mich — verſezte Vult — wohl, ohne die Beſcheidenheit zu verletzen, einiger Beſchei¬ denheit ruͤhmen. Aber wie hoͤrteſt du? Voraus und zuruͤck, oder nur ſo vor dich hin? Das Volck hoͤrt wie das Vieh nur Gegenwart, nicht die beiden Polar-Zeiten, nur muſikaliſche Syl¬ ben, keine Syntax. Ein guter Hoͤrer des Worts praͤgt ſich den Vorderſaz eines muſikaliſchen Pe¬ rioden ein, um den Nachſaz ſchoͤn zu faſſen.“
Der Notar erklaͤrte ſich daruͤber ganz ver¬ gnuͤgt; er theilte dem Flautiſten die gewaltige Verſtaͤrckung des Eindrucks mit, die er ſelber der Floͤte durch die Szenen-Traͤume, durch die Maͤdgen und durch Wina zugeſchickt, ohne zu errathen, daß Vultens ganzes Geſicht an die¬ ſem Lorbeer verzogen kaͤue, weil er den Unmuth ſeinem mangelhaften Strekvers zuſchrieb, worinn der Virtuoſe las. Dieſer hatte das Gedicht in der Hoffnung aufgenommen, es lobe keine an¬
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de Ton-Meiſter, die man ſtets laut beklatſcht,
und nur hinter ihrem Ruͤcken auspfeift, ſind faſt
noch eitler als Schauſpieler, welche doch zuwei¬
len eine gute Monathsſchrift kneipt und aͤrgert.
„Ich darf mich — verſezte Vult — wohl, ohne
die Beſcheidenheit zu verletzen, einiger Beſchei¬
denheit ruͤhmen. Aber wie hoͤrteſt du? Voraus
und zuruͤck, oder nur ſo vor dich hin? Das
Volck hoͤrt wie das Vieh nur Gegenwart, nicht
die beiden Polar-Zeiten, nur muſikaliſche Syl¬
ben, keine Syntax. Ein guter Hoͤrer des Worts
praͤgt ſich den Vorderſaz eines muſikaliſchen Pe¬
rioden ein, um den Nachſaz ſchoͤn zu faſſen.“
Der Notar erklaͤrte ſich daruͤber ganz ver¬
gnuͤgt; er theilte dem Flautiſten die gewaltige
Verſtaͤrckung des Eindrucks mit, die er ſelber
der Floͤte durch die Szenen-Traͤume, durch die
Maͤdgen und durch Wina zugeſchickt, ohne zu
errathen, daß Vultens ganzes Geſicht an die¬
ſem Lorbeer verzogen kaͤue, weil er den Unmuth
ſeinem mangelhaften Strekvers zuſchrieb, worinn
der Virtuoſe las. Dieſer hatte das Gedicht in
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 2. Tübingen, 1804, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre02_1804/141>, abgerufen am 07.07.2024.
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