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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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hose, gelbem Studentenkollet und grünem Reise¬
hut, und mit nichts in der Tasche (wenige Spe¬
zies ausgenommen) als mit einem Spiel gesiegel¬
ter EntreeKarten für künftige Flötenkonzerte?
-- "Nein, sagt' er, eh' ich das thäte, lieber
wollt' ich täglich Essig aus Kupfer trinken, oder
eine Fischotter an meiner Brust gros säugen, oder
eine kantianische Messe lesen oder hören, eine O¬
stermesse." Denn wenn er auch zulezt den phan¬
tastischen Vater endlich zu überwältigen hoffen
konnte durch einige MusikStunden und durch Er¬
zählungen aus fremdern Ländern: so blieb doch
die unbestechliche Mutter unverändert übrig mit
ihren kalten hellen Augen, mit ihren eindringen¬
den Fragen, die seine Vergangenheit sammt sei¬
ner Zukunft unerbittlich zergliederten.

Aber jezt seit dem Abend und hundert an¬
dern Stunden hatte sich alles in ihm verändert
-- aus dem fremden Zimmer brachte er die ru¬
hige Oberfläche und eine bewegte Tiefe in das sei¬
nige hinauf. -- Walts Liebe gegen ihn hatt' ihn
ordentlich angegriffen -- dessen poetische Morgen¬
sonne wollt' er ganz nahe besehen und drehen und

hoſe, gelbem Studentenkollet und gruͤnem Reiſe¬
hut, und mit nichts in der Taſche (wenige Spe¬
zies ausgenommen) als mit einem Spiel geſiegel¬
ter EntréeKarten fuͤr kuͤnftige Floͤtenkonzerte?
— „Nein, ſagt' er, eh' ich das thaͤte, lieber
wollt' ich taͤglich Eſſig aus Kupfer trinken, oder
eine Fiſchotter an meiner Bruſt gros ſaͤugen, oder
eine kantianiſche Meſſe leſen oder hoͤren, eine O¬
ſtermeſſe.” Denn wenn er auch zulezt den phan¬
taſtiſchen Vater endlich zu uͤberwaͤltigen hoffen
konnte durch einige MuſikStunden und durch Er¬
zaͤhlungen aus fremdern Laͤndern: ſo blieb doch
die unbeſtechliche Mutter unveraͤndert uͤbrig mit
ihren kalten hellen Augen, mit ihren eindringen¬
den Fragen, die ſeine Vergangenheit ſammt ſei¬
ner Zukunft unerbittlich zergliederten.

Aber jezt ſeit dem Abend und hundert an¬
dern Stunden hatte ſich alles in ihm veraͤndert
— aus dem fremden Zimmer brachte er die ru¬
hige Oberflaͤche und eine bewegte Tiefe in das ſei¬
nige hinauf. — Walts Liebe gegen ihn hatt' ihn
ordentlich angegriffen — deſſen poetiſche Morgen¬
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[75/0085] hoſe, gelbem Studentenkollet und gruͤnem Reiſe¬ hut, und mit nichts in der Taſche (wenige Spe¬ zies ausgenommen) als mit einem Spiel geſiegel¬ ter EntréeKarten fuͤr kuͤnftige Floͤtenkonzerte? — „Nein, ſagt' er, eh' ich das thaͤte, lieber wollt' ich taͤglich Eſſig aus Kupfer trinken, oder eine Fiſchotter an meiner Bruſt gros ſaͤugen, oder eine kantianiſche Meſſe leſen oder hoͤren, eine O¬ ſtermeſſe.” Denn wenn er auch zulezt den phan¬ taſtiſchen Vater endlich zu uͤberwaͤltigen hoffen konnte durch einige MuſikStunden und durch Er¬ zaͤhlungen aus fremdern Laͤndern: ſo blieb doch die unbeſtechliche Mutter unveraͤndert uͤbrig mit ihren kalten hellen Augen, mit ihren eindringen¬ den Fragen, die ſeine Vergangenheit ſammt ſei¬ ner Zukunft unerbittlich zergliederten. Aber jezt ſeit dem Abend und hundert an¬ dern Stunden hatte ſich alles in ihm veraͤndert — aus dem fremden Zimmer brachte er die ru¬ hige Oberflaͤche und eine bewegte Tiefe in das ſei¬ nige hinauf. — Walts Liebe gegen ihn hatt' ihn ordentlich angegriffen — deſſen poetiſche Morgen¬ ſonne wollt' er ganz nahe beſehen und drehen und

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/85>, abgerufen am 25.11.2024.