Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

sem Josaphats-Thal zurück, ein geheimer stiller
Bacchant des Herzens. "Das ist ja gerade der
Mensch, sagt' er heftig, den du feurig wolltest,
so jung, so blühend, so edel, so stolz -- höchst
wahrscheinlich ein Engländer, weil er Philoso¬
phie und Schiffsbau und Poesie wie drei Kro¬
nen trägt. Lieber Jüngling, wie kannst
du nicht geliebt werden, wenn du es ver¬
stattest!"

Jezt verschüttete die Abendsonne unter ih¬
re Rosen das Thal. Die Musikanten schwie¬
gen, von dem Spielteller das Silber speisend,
der umgelaufen war. Die Menschen zogen nach
Hause. Der Notarius gieng noch eilig um vier
leere Tische, woran holde Mädgen gesessen,
blos um die Freude einer solchen Tischnachbar¬
schaft mitzunehmen. Er wurde nun im lang¬
samen Strome ein Tropfen, aber ein rosenro¬
ther heller, der ein Abendroth und eine Sonne
auffaste und trug. "Bald, sagt' er sich, als er
die drei Stadtthürme sah, an welchen das
Abendgold herunter schmolz, erfahr' ich von
meinem Vult, wer er ist und wo -- und dann

ſem Joſaphats-Thal zuruͤck, ein geheimer ſtiller
Bacchant des Herzens. „Das iſt ja gerade der
Menſch, ſagt' er heftig, den du feurig wollteſt,
ſo jung, ſo bluͤhend, ſo edel, ſo ſtolz — hoͤchſt
wahrſcheinlich ein Englaͤnder, weil er Philoſo¬
phie und Schiffsbau und Poeſie wie drei Kro¬
nen traͤgt. Lieber Juͤngling, wie kannſt
du nicht geliebt werden, wenn du es ver¬
ſtatteſt!”

Jezt verſchuͤttete die Abendſonne unter ih¬
re Roſen das Thal. Die Muſikanten ſchwie¬
gen, von dem Spielteller das Silber ſpeiſend,
der umgelaufen war. Die Menſchen zogen nach
Hauſe. Der Notarius gieng noch eilig um vier
leere Tiſche, woran holde Maͤdgen geſeſſen,
blos um die Freude einer ſolchen Tiſchnachbar¬
ſchaft mitzunehmen. Er wurde nun im lang¬
ſamen Strome ein Tropfen, aber ein roſenro¬
ther heller, der ein Abendroth und eine Sonne
auffaſte und trug. „Bald, ſagt' er ſich, als er
die drei Stadtthuͤrme ſah, an welchen das
Abendgold herunter ſchmolz, erfahr' ich von
meinem Vult, wer er iſt und wo — und dann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0252" n="242"/>
&#x017F;em Jo&#x017F;aphats-Thal zuru&#x0364;ck, ein geheimer &#x017F;tiller<lb/>
Bacchant des Herzens. &#x201E;Das i&#x017F;t ja gerade der<lb/>
Men&#x017F;ch, &#x017F;agt' er heftig, den du feurig wollte&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o jung, &#x017F;o blu&#x0364;hend, &#x017F;o edel, &#x017F;o &#x017F;tolz &#x2014; ho&#x0364;ch&#x017F;t<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich ein Engla&#x0364;nder, weil er Philo&#x017F;<lb/>
phie und Schiffsbau und Poe&#x017F;ie wie drei Kro¬<lb/>
nen tra&#x0364;gt. Lieber Ju&#x0364;ngling, wie kann&#x017F;t<lb/>
du nicht geliebt werden, wenn du es ver¬<lb/>
&#x017F;tatte&#x017F;t!&#x201D;</p><lb/>
        <p>Jezt ver&#x017F;chu&#x0364;ttete die Abend&#x017F;onne unter ih¬<lb/>
re Ro&#x017F;en das Thal. Die Mu&#x017F;ikanten &#x017F;chwie¬<lb/>
gen, von dem Spielteller das Silber &#x017F;pei&#x017F;end,<lb/>
der umgelaufen war. Die Men&#x017F;chen zogen nach<lb/>
Hau&#x017F;e. Der Notarius gieng noch eilig um vier<lb/>
leere Ti&#x017F;che, woran holde Ma&#x0364;dgen ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
blos um die Freude einer &#x017F;olchen Ti&#x017F;chnachbar¬<lb/>
&#x017F;chaft mitzunehmen. Er wurde nun im lang¬<lb/>
&#x017F;amen Strome ein Tropfen, aber ein ro&#x017F;enro¬<lb/>
ther heller, der ein Abendroth und eine Sonne<lb/>
auffa&#x017F;te und trug. &#x201E;Bald, &#x017F;agt' er &#x017F;ich, als er<lb/>
die drei Stadtthu&#x0364;rme &#x017F;ah, an welchen das<lb/>
Abendgold herunter &#x017F;chmolz, erfahr' ich von<lb/>
meinem Vult, wer er i&#x017F;t und wo &#x2014; und dann<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0252] ſem Joſaphats-Thal zuruͤck, ein geheimer ſtiller Bacchant des Herzens. „Das iſt ja gerade der Menſch, ſagt' er heftig, den du feurig wollteſt, ſo jung, ſo bluͤhend, ſo edel, ſo ſtolz — hoͤchſt wahrſcheinlich ein Englaͤnder, weil er Philoſo¬ phie und Schiffsbau und Poeſie wie drei Kro¬ nen traͤgt. Lieber Juͤngling, wie kannſt du nicht geliebt werden, wenn du es ver¬ ſtatteſt!” Jezt verſchuͤttete die Abendſonne unter ih¬ re Roſen das Thal. Die Muſikanten ſchwie¬ gen, von dem Spielteller das Silber ſpeiſend, der umgelaufen war. Die Menſchen zogen nach Hauſe. Der Notarius gieng noch eilig um vier leere Tiſche, woran holde Maͤdgen geſeſſen, blos um die Freude einer ſolchen Tiſchnachbar¬ ſchaft mitzunehmen. Er wurde nun im lang¬ ſamen Strome ein Tropfen, aber ein roſenro¬ ther heller, der ein Abendroth und eine Sonne auffaſte und trug. „Bald, ſagt' er ſich, als er die drei Stadtthuͤrme ſah, an welchen das Abendgold herunter ſchmolz, erfahr' ich von meinem Vult, wer er iſt und wo — und dann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/252
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/252>, abgerufen am 18.05.2024.