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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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wüßtest! -- nicht vorlesen, denn eben darum!
Ich fahre im Schwanzstern besonders wild auf
die jungen Schreiber los, die von dir abweichen
und in ihren Romanen die arme Freundschaft
nur als Thür- und Degengriff der Liebe vornen
an diese so unnüz anbringen, wie den Kalender
und das genealogische Verzeichnis der regieren¬
den Häupter vornen an die Blumenlesen. Der
Spizbube, der Kränkling von Schwächling von
Helden will nämlich auf den ersten Paar Bogen
sich stellen, als seufz' er ziemlich nach einem
Freunde als klaffe auf sein Herz nach einer Un¬
endlichkeit -- schreibt sogar das Sehnen nach ei¬
nem Freund, wenns Werk in Briefen ist, an
einen, denn er schon hat zum Epistolieren --
ja er verräth noch Schmachtungen nach der zwei¬
ten Welt und Kunst; -- kaum aber ersieht und
erwischt die Bestie ihr Mädgen (der Operngucker
sieht immer nach dem Freunde hin) so hat sie
satt und das Ihrige; wiewohl der Freund noch
elendiglich mehrere Bogen nebenher mitstapeln
muß bis zu dem Bogen Ix, auf welchem dem
geliebten Freunde wegen einer Treulosigkeit des

wuͤßteſt! — nicht vorleſen, denn eben darum!
Ich fahre im Schwanzſtern beſonders wild auf
die jungen Schreiber los, die von dir abweichen
und in ihren Romanen die arme Freundſchaft
nur als Thuͤr- und Degengriff der Liebe vornen
an dieſe ſo unnuͤz anbringen, wie den Kalender
und das genealogiſche Verzeichnis der regieren¬
den Haͤupter vornen an die Blumenleſen. Der
Spizbube, der Kraͤnkling von Schwaͤchling von
Helden will naͤmlich auf den erſten Paar Bogen
ſich ſtellen, als ſeufz' er ziemlich nach einem
Freunde als klaffe auf ſein Herz nach einer Un¬
endlichkeit — ſchreibt ſogar das Sehnen nach ei¬
nem Freund, wenns Werk in Briefen iſt, an
einen, denn er ſchon hat zum Epiſtolieren —
ja er verraͤth noch Schmachtungen nach der zwei¬
ten Welt und Kunſt; — kaum aber erſieht und
erwiſcht die Beſtie ihr Maͤdgen (der Operngucker
ſieht immer nach dem Freunde hin) ſo hat ſie
ſatt und das Ihrige; wiewohl der Freund noch
elendiglich mehrere Bogen nebenher mitſtapeln
muß bis zu dem Bogen Ix, auf welchem dem
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[219/0229] wuͤßteſt! — nicht vorleſen, denn eben darum! Ich fahre im Schwanzſtern beſonders wild auf die jungen Schreiber los, die von dir abweichen und in ihren Romanen die arme Freundſchaft nur als Thuͤr- und Degengriff der Liebe vornen an dieſe ſo unnuͤz anbringen, wie den Kalender und das genealogiſche Verzeichnis der regieren¬ den Haͤupter vornen an die Blumenleſen. Der Spizbube, der Kraͤnkling von Schwaͤchling von Helden will naͤmlich auf den erſten Paar Bogen ſich ſtellen, als ſeufz' er ziemlich nach einem Freunde als klaffe auf ſein Herz nach einer Un¬ endlichkeit — ſchreibt ſogar das Sehnen nach ei¬ nem Freund, wenns Werk in Briefen iſt, an einen, denn er ſchon hat zum Epiſtolieren — ja er verraͤth noch Schmachtungen nach der zwei¬ ten Welt und Kunſt; — kaum aber erſieht und erwiſcht die Beſtie ihr Maͤdgen (der Operngucker ſieht immer nach dem Freunde hin) ſo hat ſie ſatt und das Ihrige; wiewohl der Freund noch elendiglich mehrere Bogen nebenher mitſtapeln muß bis zu dem Bogen Ix, auf welchem dem geliebten Freunde wegen einer Treuloſigkeit des

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/229>, abgerufen am 25.11.2024.