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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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sen; aber ich glaube nicht, daß es Glück
machte.

Darauf kaufte sich der Notar im Laden drei
unbedeutende Visitenkarten, weil er glaubte, er
müsse auf ihnen an die beiden Töchter und die
Frau des Hauses seinen Namen abgeben; und
gab sie ab. Als er eilig seine Inserate in der
nahen Zeitungsdruckerei ablieferte: fiel sein Auge
erschreckend auf das neueste Wochenblatt, worinn
noch mit nassen Buchstaben stand:

"Das Flötenkonzert muß ich noch immer
verschieben, weil ein schnell wachsendes Augen-
Uebel mir verbietet, Noten anzusehen.

J. van der Harnisch.

Welch' einen schweren Kummer trug er aus
der Druckerei in sein Stübgen zurück! Auf den
ganzen Frühling seiner Zukunft war tiefer Schnee
gefallen, so bald sein freudiger Bruder die freu¬
digen Augen verloren, die er an seiner Seite
darauf werfen sollte. Er lief müssig im Zimmer
auf und ab, und dachte nur an ihn. Die Son¬
ne stand schon gerade auf den Abendbergen und
füllte das Zimmer mit Goldstaub; noch war der

ſen; aber ich glaube nicht, daß es Gluͤck
machte.

Darauf kaufte ſich der Notar im Laden drei
unbedeutende Viſitenkarten, weil er glaubte, er
muͤſſe auf ihnen an die beiden Toͤchter und die
Frau des Hauſes ſeinen Namen abgeben; und
gab ſie ab. Als er eilig ſeine Inſerate in der
nahen Zeitungsdruckerei ablieferte: fiel ſein Auge
erſchreckend auf das neueſte Wochenblatt, worinn
noch mit naſſen Buchſtaben ſtand:

„Das Floͤtenkonzert muß ich noch immer
verſchieben, weil ein ſchnell wachſendes Augen-
Uebel mir verbietet, Noten anzuſehen.

J. van der Harniſch.

Welch' einen ſchweren Kummer trug er aus
der Druckerei in ſein Stuͤbgen zuruͤck! Auf den
ganzen Fruͤhling ſeiner Zukunft war tiefer Schnee
gefallen, ſo bald ſein freudiger Bruder die freu¬
digen Augen verloren, die er an ſeiner Seite
darauf werfen ſollte. Er lief muͤſſig im Zimmer
auf und ab, und dachte nur an ihn. Die Son¬
ne ſtand ſchon gerade auf den Abendbergen und
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[198/0208] ſen; aber ich glaube nicht, daß es Gluͤck machte. Darauf kaufte ſich der Notar im Laden drei unbedeutende Viſitenkarten, weil er glaubte, er muͤſſe auf ihnen an die beiden Toͤchter und die Frau des Hauſes ſeinen Namen abgeben; und gab ſie ab. Als er eilig ſeine Inſerate in der nahen Zeitungsdruckerei ablieferte: fiel ſein Auge erſchreckend auf das neueſte Wochenblatt, worinn noch mit naſſen Buchſtaben ſtand: „Das Floͤtenkonzert muß ich noch immer verſchieben, weil ein ſchnell wachſendes Augen- Uebel mir verbietet, Noten anzuſehen. J. van der Harniſch. Welch' einen ſchweren Kummer trug er aus der Druckerei in ſein Stuͤbgen zuruͤck! Auf den ganzen Fruͤhling ſeiner Zukunft war tiefer Schnee gefallen, ſo bald ſein freudiger Bruder die freu¬ digen Augen verloren, die er an ſeiner Seite darauf werfen ſollte. Er lief muͤſſig im Zimmer auf und ab, und dachte nur an ihn. Die Son¬ ne ſtand ſchon gerade auf den Abendbergen und fuͤllte das Zimmer mit Goldſtaub; noch war der

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/208>, abgerufen am 03.05.2024.