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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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blos von seiner angebornen Milde, überall nur
die übermahlte nicht die leere Seite der Menschen
und des Lebens vorzudrehen, sondern auch von
jener göttlichen Entzückung und Berauschung her,
womit besonders Dichter, die nie auf Reisen wa¬
ren, einen von Träumen und Gegenden nachbli¬
zenden Reisetag beschließen; die prosaischen Felder
des Lebens werden ihnen, wie in Italien die
wirklichen, von poetischen Myrten umkränzt,
und die leeren Pappeln von Trauben erstiegen.

Vult lobte ihn wegen der Gemsenartigkeit, wo¬
mit er, wie er sehe, von Gipfeln zu Gipfeln seze
über Abgründe. "Der Mensch soll, versezte
Walt, das Leben wie einen hizigen Falken auf
der Hand forttragen, ihn in den Aether auflas¬
sen und wieder herunter rufen können, wie es
nöthig ist, so denk' ich." -- "Der Mars, der
Saturn, der Mond und die Kometen ohne Zahl
stören, (antwortete Vult,) unsere Erde bekannt¬
lich sehr im Laufe; -- aber die Erdkugel in uns,
sehr gut das Herz genannt, sollte beim Henker
sich von keiner fremden laufenden Welt aus der
Bahn bringen lassen, wenns nicht etwa eine sol¬

blos von ſeiner angebornen Milde, uͤberall nur
die uͤbermahlte nicht die leere Seite der Menſchen
und des Lebens vorzudrehen, ſondern auch von
jener goͤttlichen Entzuͤckung und Berauſchung her,
womit beſonders Dichter, die nie auf Reiſen wa¬
ren, einen von Traͤumen und Gegenden nachbli¬
zenden Reiſetag beſchließen; die proſaiſchen Felder
des Lebens werden ihnen, wie in Italien die
wirklichen, von poetiſchen Myrten umkraͤnzt,
und die leeren Pappeln von Trauben erſtiegen.

Vult lobte ihn wegen der Gemſenartigkeit, wo¬
mit er, wie er ſehe, von Gipfeln zu Gipfeln ſeze
uͤber Abgruͤnde. „Der Menſch ſoll, verſezte
Walt, das Leben wie einen hizigen Falken auf
der Hand forttragen, ihn in den Aether auflaſ¬
ſen und wieder herunter rufen koͤnnen, wie es
noͤthig iſt, ſo denk' ich.“ — „Der Mars, der
Saturn, der Mond und die Kometen ohne Zahl
ſtoͤren, (antwortete Vult,) unſere Erde bekannt¬
lich ſehr im Laufe; — aber die Erdkugel in uns,
ſehr gut das Herz genannt, ſollte beim Henker
ſich von keiner fremden laufenden Welt aus der
Bahn bringen laſſen, wenns nicht etwa eine ſol¬

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[146/0156] blos von ſeiner angebornen Milde, uͤberall nur die uͤbermahlte nicht die leere Seite der Menſchen und des Lebens vorzudrehen, ſondern auch von jener goͤttlichen Entzuͤckung und Berauſchung her, womit beſonders Dichter, die nie auf Reiſen wa¬ ren, einen von Traͤumen und Gegenden nachbli¬ zenden Reiſetag beſchließen; die proſaiſchen Felder des Lebens werden ihnen, wie in Italien die wirklichen, von poetiſchen Myrten umkraͤnzt, und die leeren Pappeln von Trauben erſtiegen. Vult lobte ihn wegen der Gemſenartigkeit, wo¬ mit er, wie er ſehe, von Gipfeln zu Gipfeln ſeze uͤber Abgruͤnde. „Der Menſch ſoll, verſezte Walt, das Leben wie einen hizigen Falken auf der Hand forttragen, ihn in den Aether auflaſ¬ ſen und wieder herunter rufen koͤnnen, wie es noͤthig iſt, ſo denk' ich.“ — „Der Mars, der Saturn, der Mond und die Kometen ohne Zahl ſtoͤren, (antwortete Vult,) unſere Erde bekannt¬ lich ſehr im Laufe; — aber die Erdkugel in uns, ſehr gut das Herz genannt, ſollte beim Henker ſich von keiner fremden laufenden Welt aus der Bahn bringen laſſen, wenns nicht etwa eine ſol¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/156>, abgerufen am 30.04.2024.