Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser Schimmel betrat am Morgen die
Bühne. Der Notar hatte den Tag vorher den
Gaul an eine seiner Gehirnwände festgebunden
und -- wie die rechte Seite des Konvents
und des Rheins -- sich immer die linke vor¬
gestellt, um daran aufzusteigen; -- in alle Stel¬
lungen hatt' er in seinen 4 Gehirnkammern das
Schulroß gedreht, geschwind es links bestiegen,
und so sich selber völlig zugeritten für den Gaul.
Dieser wurde gebracht und gewandt. Gottwalts
Auge blieb fest an den linken Steigbügel gepicht
-- aber sein Ich wurd' ihm unter den Händen
zu gros für sein Ich -- seine Thränen zu dunkel
für sein Auge -- er besteige, merkt' er, mehr
einen Thron als einen Sattel -- die linke Roß-
Seite hielt er noch fest; nur kam jezt die neue
Aufgabe, wie er die eigne linke so damit verknü¬
pfen könnte, daß beide die Gesichter vorwärts
kehrten. --

Wozu die teuflische Quaal! Er probierte,
wie ein preussischer Kavallerist, rechts aufzu¬
springen. Pfiffen Leute, wie Vult und der
Wirth, seine Probe aus, so zeigten sie weiter

Flegeljahre I. Bd. 5

Dieſer Schimmel betrat am Morgen die
Buͤhne. Der Notar hatte den Tag vorher den
Gaul an eine ſeiner Gehirnwaͤnde feſtgebunden
und — wie die rechte Seite des Konvents
und des Rheins — ſich immer die linke vor¬
geſtellt, um daran aufzuſteigen; — in alle Stel¬
lungen hatt' er in ſeinen 4 Gehirnkammern das
Schulroß gedreht, geſchwind es links beſtiegen,
und ſo ſich ſelber voͤllig zugeritten fuͤr den Gaul.
Dieſer wurde gebracht und gewandt. Gottwalts
Auge blieb feſt an den linken Steigbuͤgel gepicht
— aber ſein Ich wurd' ihm unter den Haͤnden
zu gros fuͤr ſein Ich — ſeine Thraͤnen zu dunkel
fuͤr ſein Auge — er beſteige, merkt' er, mehr
einen Thron als einen Sattel — die linke Roß-
Seite hielt er noch feſt; nur kam jezt die neue
Aufgabe, wie er die eigne linke ſo damit verknuͤ¬
pfen koͤnnte, daß beide die Geſichter vorwaͤrts
kehrten. —

Wozu die teufliſche Quaal! Er probierte,
wie ein preuſſiſcher Kavalleriſt, rechts aufzu¬
ſpringen. Pfiffen Leute, wie Vult und der
Wirth, ſeine Probe aus, ſo zeigten ſie weiter

Flegeljahre I. Bd. 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0139" n="129"/>
        <p>Die&#x017F;er Schimmel betrat am Morgen die<lb/>
Bu&#x0364;hne. Der Notar hatte den Tag vorher den<lb/>
Gaul an eine &#x017F;einer Gehirnwa&#x0364;nde fe&#x017F;tgebunden<lb/>
und &#x2014; wie die <hi rendition="#g">rechte</hi> Seite des <hi rendition="#g">Konvents</hi><lb/>
und des <hi rendition="#g">Rheins</hi> &#x2014; &#x017F;ich immer die <hi rendition="#g">linke</hi> vor¬<lb/>
ge&#x017F;tellt, um daran aufzu&#x017F;teigen; &#x2014; in alle Stel¬<lb/>
lungen hatt' er in &#x017F;einen 4 Gehirnkammern das<lb/>
Schulroß gedreht, ge&#x017F;chwind es links be&#x017F;tiegen,<lb/>
und &#x017F;o &#x017F;ich &#x017F;elber vo&#x0364;llig zugeritten fu&#x0364;r den Gaul.<lb/>
Die&#x017F;er wurde gebracht und gewandt. Gottwalts<lb/>
Auge blieb fe&#x017F;t an den linken Steigbu&#x0364;gel gepicht<lb/>
&#x2014; aber &#x017F;ein Ich wurd' ihm unter den Ha&#x0364;nden<lb/>
zu gros fu&#x0364;r &#x017F;ein Ich &#x2014; &#x017F;eine Thra&#x0364;nen zu dunkel<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;ein Auge &#x2014; er be&#x017F;teige, merkt' er, mehr<lb/>
einen Thron als einen Sattel &#x2014; die linke Roß-<lb/>
Seite hielt er noch fe&#x017F;t; nur kam jezt die neue<lb/>
Aufgabe, wie er die eigne linke &#x017F;o damit verknu&#x0364;¬<lb/>
pfen ko&#x0364;nnte, daß beide die Ge&#x017F;ichter vorwa&#x0364;rts<lb/>
kehrten. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wozu die teufli&#x017F;che Quaal! Er probierte,<lb/>
wie ein preu&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Kavalleri&#x017F;t, rechts aufzu¬<lb/>
&#x017F;pringen. Pfiffen Leute, wie Vult und der<lb/>
Wirth, &#x017F;eine Probe aus, &#x017F;o zeigten &#x017F;ie weiter<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Flegeljahre <hi rendition="#aq">I</hi>. Bd. 5<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0139] Dieſer Schimmel betrat am Morgen die Buͤhne. Der Notar hatte den Tag vorher den Gaul an eine ſeiner Gehirnwaͤnde feſtgebunden und — wie die rechte Seite des Konvents und des Rheins — ſich immer die linke vor¬ geſtellt, um daran aufzuſteigen; — in alle Stel¬ lungen hatt' er in ſeinen 4 Gehirnkammern das Schulroß gedreht, geſchwind es links beſtiegen, und ſo ſich ſelber voͤllig zugeritten fuͤr den Gaul. Dieſer wurde gebracht und gewandt. Gottwalts Auge blieb feſt an den linken Steigbuͤgel gepicht — aber ſein Ich wurd' ihm unter den Haͤnden zu gros fuͤr ſein Ich — ſeine Thraͤnen zu dunkel fuͤr ſein Auge — er beſteige, merkt' er, mehr einen Thron als einen Sattel — die linke Roß- Seite hielt er noch feſt; nur kam jezt die neue Aufgabe, wie er die eigne linke ſo damit verknuͤ¬ pfen koͤnnte, daß beide die Geſichter vorwaͤrts kehrten. — Wozu die teufliſche Quaal! Er probierte, wie ein preuſſiſcher Kavalleriſt, rechts aufzu¬ ſpringen. Pfiffen Leute, wie Vult und der Wirth, ſeine Probe aus, ſo zeigten ſie weiter Flegeljahre I. Bd. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/139
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/139>, abgerufen am 22.11.2024.