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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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Bewustseyn des Rechts jeder Noth und Gewalt
entgegengezogen wäre -- da schnaubte der sanfte
Walt wie ein getroffener Löwe empor, sprang
vor den Kandidaten, und ergrif dessen Achseln
mit beiden Händen und schrie aus lang gemarter¬
ter Brust so heftig auf, daß der Kandidat wie
vor nahem Todtschlag aufhüpfte: "Kandidat!
bei Gott, ich werde ein guter Jurist von fleißiger
Praxis, meiner armen Eltern wegen. Aber Kan¬
didat, ein Donnerkeil spalte mein Herz, der Ewige
werfe mich dem glühendsten Teufel zu, wenn ich
je den Strekvers lasse und die himmlische Dicht¬
kunst."

Hier sah er wild ausfordernd umher und sag¬
te wichtig: ich dichte fort -- alle schwiegen
erstaunt -- in Schomaker hielt noch halbes
Leben -- Knol allein zeigte ein grimmiges eisernes
Lächeln -- auch Vult wurde auf seinem Aste wild,
schrie: recht, recht und grif blindlings nach un¬
reifen Pelzäpfeln, um eine Handvoll gegen die
prosaische Session zu schleudern. -- Darauf gieng
der Notar als Sieger hinaus, und Goldine gieng
ihm mit dem Murmeln nach: es geschieht Euch
recht, Ihr Prosaner! --

Bewuſtſeyn des Rechts jeder Noth und Gewalt
entgegengezogen waͤre — da ſchnaubte der ſanfte
Walt wie ein getroffener Loͤwe empor, ſprang
vor den Kandidaten, und ergrif deſſen Achſeln
mit beiden Haͤnden und ſchrie aus lang gemarter¬
ter Bruſt ſo heftig auf, daß der Kandidat wie
vor nahem Todtſchlag aufhuͤpfte: „Kandidat!
bei Gott, ich werde ein guter Juriſt von fleißiger
Praxis, meiner armen Eltern wegen. Aber Kan¬
didat, ein Donnerkeil ſpalte mein Herz, der Ewige
werfe mich dem gluͤhendſten Teufel zu, wenn ich
je den Strekvers laſſe und die himmliſche Dicht¬
kunſt.“

Hier ſah er wild ausfordernd umher und ſag¬
te wichtig: ich dichte fort — alle ſchwiegen
erſtaunt — in Schomaker hielt noch halbes
Leben — Knol allein zeigte ein grimmiges eiſernes
Laͤcheln — auch Vult wurde auf ſeinem Aſte wild,
ſchrie: recht, recht und grif blindlings nach un¬
reifen Pelzaͤpfeln, um eine Handvoll gegen die
proſaiſche Seſſion zu ſchleudern. — Darauf gieng
der Notar als Sieger hinaus, und Goldine gieng
ihm mit dem Murmeln nach: es geſchieht Euch
recht, Ihr Proſaner! —

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[114/0124] Bewuſtſeyn des Rechts jeder Noth und Gewalt entgegengezogen waͤre — da ſchnaubte der ſanfte Walt wie ein getroffener Loͤwe empor, ſprang vor den Kandidaten, und ergrif deſſen Achſeln mit beiden Haͤnden und ſchrie aus lang gemarter¬ ter Bruſt ſo heftig auf, daß der Kandidat wie vor nahem Todtſchlag aufhuͤpfte: „Kandidat! bei Gott, ich werde ein guter Juriſt von fleißiger Praxis, meiner armen Eltern wegen. Aber Kan¬ didat, ein Donnerkeil ſpalte mein Herz, der Ewige werfe mich dem gluͤhendſten Teufel zu, wenn ich je den Strekvers laſſe und die himmliſche Dicht¬ kunſt.“ Hier ſah er wild ausfordernd umher und ſag¬ te wichtig: ich dichte fort — alle ſchwiegen erſtaunt — in Schomaker hielt noch halbes Leben — Knol allein zeigte ein grimmiges eiſernes Laͤcheln — auch Vult wurde auf ſeinem Aſte wild, ſchrie: recht, recht und grif blindlings nach un¬ reifen Pelzaͤpfeln, um eine Handvoll gegen die proſaiſche Seſſion zu ſchleudern. — Darauf gieng der Notar als Sieger hinaus, und Goldine gieng ihm mit dem Murmeln nach: es geſchieht Euch recht, Ihr Proſaner! —

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/124>, abgerufen am 04.12.2024.