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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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konnt' ers vor Zorn kaum aushalten, wenn er
bedachte, daß der Kandidat und der Pfalzgraf so
lange da standen, ohne des erfreuenden Testa¬
ments zu gedenken. Hätt' er sehen und schreiben
können, er hätte einen Stein mit einem Rapport-
Wickel als sanfte Taubenpost durchs Fenster flie¬
gen lassen.

"Hörst du? sagte Lukas. Sie sind auch eben
nicht schön geschrieben, wie ich sehe" und machte
blätternd einen Versuch, das Manuskript ins Licht
hinein zu halten. Aber der bisher halbgesenkt in
die Flamme blickende Dichter entris es ihm plöz¬
lich mit greifender Faust. -- "In den Nebenstun¬
den aber denn doch so etwa?" fragte Schomaker,
für welchen der einzige Titel HofFiskal einen
RuprechtsZwilling und Doppelhaken in sich fa¬
ste; denn schon, wo einem Worte Hof oder Leib
zum Vorsprung anhieng -- und wars an einem
Hofpauker oder Leibvorreiter --: da sah er in eine
gehelmte Vorrede (praefatio galeata) und hatte
seine Schauer; wie vielmehr bei dem Worte Fis¬
kal
, das jeden auf Pfähle oder in Thüren zu
stecken drohte.

konnt' ers vor Zorn kaum aushalten, wenn er
bedachte, daß der Kandidat und der Pfalzgraf ſo
lange da ſtanden, ohne des erfreuenden Teſta¬
ments zu gedenken. Haͤtt' er ſehen und ſchreiben
koͤnnen, er haͤtte einen Stein mit einem Rapport-
Wickel als ſanfte Taubenpoſt durchs Fenſter flie¬
gen laſſen.

„Hoͤrſt du? ſagte Lukas. Sie ſind auch eben
nicht ſchoͤn geſchrieben, wie ich ſehe“ und machte
blaͤtternd einen Verſuch, das Manuſkript ins Licht
hinein zu halten. Aber der bisher halbgeſenkt in
die Flamme blickende Dichter entris es ihm ploͤz¬
lich mit greifender Fauſt. — „In den Nebenſtun¬
den aber denn doch ſo etwa?“ fragte Schomaker,
fuͤr welchen der einzige Titel HofFiskal einen
RuprechtsZwilling und Doppelhaken in ſich fa¬
ſte; denn ſchon, wo einem Worte Hof oder Leib
zum Vorſprung anhieng — und wars an einem
Hofpauker oder Leibvorreiter —: da ſah er in eine
gehelmte Vorrede (præfatio galeata) und hatte
ſeine Schauer; wie vielmehr bei dem Worte Fis¬
kal
, das jeden auf Pfaͤhle oder in Thuͤren zu
ſtecken drohte.

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[112/0122] konnt' ers vor Zorn kaum aushalten, wenn er bedachte, daß der Kandidat und der Pfalzgraf ſo lange da ſtanden, ohne des erfreuenden Teſta¬ ments zu gedenken. Haͤtt' er ſehen und ſchreiben koͤnnen, er haͤtte einen Stein mit einem Rapport- Wickel als ſanfte Taubenpoſt durchs Fenſter flie¬ gen laſſen. „Hoͤrſt du? ſagte Lukas. Sie ſind auch eben nicht ſchoͤn geſchrieben, wie ich ſehe“ und machte blaͤtternd einen Verſuch, das Manuſkript ins Licht hinein zu halten. Aber der bisher halbgeſenkt in die Flamme blickende Dichter entris es ihm ploͤz¬ lich mit greifender Fauſt. — „In den Nebenſtun¬ den aber denn doch ſo etwa?“ fragte Schomaker, fuͤr welchen der einzige Titel HofFiskal einen RuprechtsZwilling und Doppelhaken in ſich fa¬ ſte; denn ſchon, wo einem Worte Hof oder Leib zum Vorſprung anhieng — und wars an einem Hofpauker oder Leibvorreiter —: da ſah er in eine gehelmte Vorrede (præfatio galeata) und hatte ſeine Schauer; wie vielmehr bei dem Worte Fis¬ kal, das jeden auf Pfaͤhle oder in Thuͤren zu ſtecken drohte.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/122>, abgerufen am 30.04.2024.