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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804.

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wohl bei löblicher Landeshauptmannschaft, als,
wenn der Fall, bei der Ritterschaft. Was Wetter!
da kann er nicht wie eine Kanzeluhr, die Woche nur
einmal gehen, Tag für Tag läuft er zum grösten
Schaden seiner Wirthschaft in alle Löcher -- in alle
Felder und Wälder -- in alle Häuser und nachher
in die Stadt und rapportierts mündlich, worauf
ers schriftlich aus der Tasche zieht. Es sollen mir
Pferdner und Anspänner oder Hintersättler hertre¬
ten und sagen: Lukas, lasse die Flausen! Du bist
auch da und da fahrläßig gewesen! O solche große
Verläumder! sehen Sie dann nicht, daß ich mich
darüber Klaftertief in Schulden steke, und wäre
künftig der Notarius und Tabellio nicht" . . . .

"Hör' einmal auf, Gerichtsmann, sagte
Veronika, und wandte sich an den Fiskal, des¬
sen Schuldner ihr Mann war -- H. Fiskal, er
sagt das nur so, um etwas zu sagen. Begehren
Sie nichts? -- Und ich habe nachher eine große
Frage zu thun."

Lukas schwieg sehr willig und schon gewohnt,
daß in seiner EheSonatine die linke Hand, die
Frau, weit über die rechte herauf grif in die höch¬
sten Töne zum harmonischen Vortheil.

wohl bei loͤblicher Landeshauptmannſchaft, als,
wenn der Fall, bei der Ritterſchaft. Was Wetter!
da kann er nicht wie eine Kanzeluhr, die Woche nur
einmal gehen, Tag fuͤr Tag laͤuft er zum groͤſten
Schaden ſeiner Wirthſchaft in alle Loͤcher — in alle
Felder und Waͤlder — in alle Haͤuſer und nachher
in die Stadt und rapportierts muͤndlich, worauf
ers ſchriftlich aus der Taſche zieht. Es ſollen mir
Pferdner und Anſpaͤnner oder Hinterſaͤttler hertre¬
ten und ſagen: Lukas, laſſe die Flauſen! Du biſt
auch da und da fahrlaͤßig geweſen! O ſolche große
Verlaͤumder! ſehen Sie dann nicht, daß ich mich
daruͤber Klaftertief in Schulden ſteke, und waͤre
kuͤnftig der Notarius und Tabellio nicht“ . . . .

„Hoͤr' einmal auf, Gerichtsmann, ſagte
Veronika, und wandte ſich an den Fiſkal, deſ¬
ſen Schuldner ihr Mann war — H. Fiſkal, er
ſagt das nur ſo, um etwas zu ſagen. Begehren
Sie nichts? — Und ich habe nachher eine große
Frage zu thun.“

Lukas ſchwieg ſehr willig und ſchon gewohnt,
daß in ſeiner EheSonatine die linke Hand, die
Frau, weit uͤber die rechte herauf grif in die hoͤch¬
ſten Toͤne zum harmoniſchen Vortheil.

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[102/0112] wohl bei loͤblicher Landeshauptmannſchaft, als, wenn der Fall, bei der Ritterſchaft. Was Wetter! da kann er nicht wie eine Kanzeluhr, die Woche nur einmal gehen, Tag fuͤr Tag laͤuft er zum groͤſten Schaden ſeiner Wirthſchaft in alle Loͤcher — in alle Felder und Waͤlder — in alle Haͤuſer und nachher in die Stadt und rapportierts muͤndlich, worauf ers ſchriftlich aus der Taſche zieht. Es ſollen mir Pferdner und Anſpaͤnner oder Hinterſaͤttler hertre¬ ten und ſagen: Lukas, laſſe die Flauſen! Du biſt auch da und da fahrlaͤßig geweſen! O ſolche große Verlaͤumder! ſehen Sie dann nicht, daß ich mich daruͤber Klaftertief in Schulden ſteke, und waͤre kuͤnftig der Notarius und Tabellio nicht“ . . . . „Hoͤr' einmal auf, Gerichtsmann, ſagte Veronika, und wandte ſich an den Fiſkal, deſ¬ ſen Schuldner ihr Mann war — H. Fiſkal, er ſagt das nur ſo, um etwas zu ſagen. Begehren Sie nichts? — Und ich habe nachher eine große Frage zu thun.“ Lukas ſchwieg ſehr willig und ſchon gewohnt, daß in ſeiner EheSonatine die linke Hand, die Frau, weit uͤber die rechte herauf grif in die hoͤch¬ ſten Toͤne zum harmoniſchen Vortheil.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 1. Tübingen, 1804, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre01_1804/112>, abgerufen am 30.04.2024.