Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

Erkältung
der Erdoberfl.

Jst der Himmel wolkenleer, so erkaltet sich
die Erdoberfläche viel eher. Eine stille ruhige
Luft begünstigt dies viel mehr, denn um so
eher kann durch Ausstrahlung u. Verdunstung
die Kälte erregt werden, andernfalls treibt
der Wind die kleinen Wasserbläschen gleich
fort. Nach Beschaffenheit der Oberfläche
erkalten sich besonders sehr leicht Körper von
größer Dünnigkeit, wie Papier, Blätter
oft 6-7° R. unter der Temperatur der
Atmosphäre. Metallflächen erkalten sich
etwa nur um 2°, werden zwar leicht er-
wärmt, erkalten aber auch wieder sehr
leicht. Es kommt wie gesagt hiebei viel
auf die Oberfläche an; indem polirte Me-
tallgefäße immer schwer zu erwärmen
sind. Gras erkaltet sich ebenfalls sehr
leicht u. hierauf beruht auch die Kälte
erregende Eigenschaft der Wälder. Es ist
nicht Schatten allein welcher hier Kälte ver-
ursacht, sondern diese vielen Blätter, die
als sehr dünnen Körper ihre Wärme aus-
strahlen; sich leicht erkalten u. die freie
sie umgebende Wärme entziehen. Hierauf
beruht der Grund daß man in warmen
Ländern Zb. in Jndien Eis machen kann,
selbst wenn das Termometer 3-6° + R.
zeigt. Die Dünnen porösen Töpfe strahlen
gegen den wolkenleeren Himmel u. wer-
den mehr erkältet, als wenn sie bedeckt
wären. Da sie 6-7° unter der Tempera-
tur der Luft sich erkälten, so entsteht
Eis, welches um so stärker ist, je ruhiger
die Luft gewesen. Davon hängt auch
Tau.
ab, ob viel oder wenig Tau gefallen.
Derselbe ist stets an der obern Seite
der Blätter zu finden, nie an der
untern. Dern sogenannten rothen Mond
im Monat Mai fürchten daher die Gärt-
ner mit Recht; nicht des Mondes wegen, son-
dern des sternenhellen Himmels wegen, der der
Erde die Wärme entzieht.

Erkältung
der Erdoberfl.

Jſt der Him̃el wolkenleer, ſo erkaltet ſich
die Erdoberfläche viel eher. Eine ſtille ruhige
Luft begünſtigt dies viel mehr, deñ um ſo
eher kañ durch Ausſtrahlung u. Verdunſtung
die Kälte erregt werden, andernfalls treibt
der Wind die kleinen Waſſerbläſchen gleich
fort. Nach Beſchaffenheit der Oberfläche
erkalten ſich beſonders ſehr leicht Körper von
größer Düñigkeit, wie Papier, Blätter
oft 6–7° R. unter der Temperatur der
Atmoſphäre. Metallflächen erkalten ſich
etwa nur um 2°, werden zwar leicht er-
wärmt, erkalten aber auch wieder ſehr
leicht. Es kom̃t wie geſagt hiebei viel
auf die Oberfläche an; indem polirte Me-
tallgefäße im̃er ſchwer zu erwärmen
ſind. Gras erkaltet ſich ebenfalls ſehr
leicht u. hierauf beruht auch die Kälte
erregende Eigenſchaft der Wälder. Es iſt
nicht Schatten allein welcher hier Kälte ver-
urſacht, ſondern dieſe vielen Blätter, die
als ſehr düñen Körper ihre Wärme aus-
ſtrahlen; ſich leicht erkalten u. die freie
ſie umgebende Wärme entziehen. Hierauf
beruht der Grund daß man in warmen
Ländern Zb. in Jndien Eis machen kañ,
ſelbſt weñ das Termometer 3–6° + R.
zeigt. Die Düñen porösen Töpfe ſtrahlen
gegen den wolkenleeren Him̃el u. wer-
den mehr erkältet, als weñ ſie bedeckt
wären. Da ſie 6–7° unter der Tempera-
tur der Luft ſich erkälten, ſo entſteht
Eis, welches um ſo ſtärker iſt, je ruhiger
die Luft geweſen. Davon hängt auch
Tau.
ab, ob viel oder wenig Tau gefallen.
Derſelbe iſt ſtets an der obern Seite
der Blätter zu finden, nie an der
untern. Dern ſogenañten rothen Mond
im Monat Mai fürchten daher die Gärt-
ner mit Recht; nicht des Mondes wegen, ſon-
dern des ſternenhellen Him̃els wegen, der der
Erde die Wärme entzieht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Ms_germ_fol_842" prev="#Ms_germ_fol_841">
        <div type="session" n="45">
          <pb facs="#f0300" n="283."/>
          <p><note place="left"><hi rendition="#b">Erkältung<lb/>
der Erdoberfl.</hi><lb/></note>J&#x017F;t der Him&#x0303;el wolkenleer, &#x017F;o erkaltet &#x017F;ich<lb/>
die Erdoberfläche viel eher. Eine &#x017F;tille ruhige<lb/>
Luft begün&#x017F;tigt dies viel mehr, den&#x0303; um &#x017F;o<lb/>
eher kan&#x0303; durch Aus&#x017F;trahlung u. Verdun&#x017F;tung<lb/>
die Kälte erregt werden, andernfalls treibt<lb/>
der Wind die kleinen Wa&#x017F;&#x017F;erblä&#x017F;chen gleich<lb/>
fort. Nach Be&#x017F;chaffenheit der Oberfläche<lb/>
erkalten &#x017F;ich be&#x017F;onders &#x017F;ehr leicht Körper von<lb/>
größer Dün&#x0303;igkeit, wie Papier, Blätter<lb/>
oft 6&#x2013;7° R. unter der Temperatur der<lb/>
Atmo&#x017F;phäre. Metallflächen erkalten &#x017F;ich<lb/>
etwa nur um 2°, werden zwar leicht er-<lb/>
wärmt, erkalten aber auch wieder &#x017F;ehr<lb/>
leicht. Es kom&#x0303;t wie ge&#x017F;agt hiebei viel<lb/>
auf die Oberfläche an; indem polirte Me-<lb/>
tallgefäße im&#x0303;er &#x017F;chwer zu erwärmen<lb/>
&#x017F;ind. Gras erkaltet &#x017F;ich ebenfalls &#x017F;ehr<lb/>
leicht u. hierauf beruht auch die Kälte<lb/>
erregende Eigen&#x017F;chaft der Wälder. Es i&#x017F;t<lb/>
nicht Schatten allein welcher hier Kälte ver-<lb/>
ur&#x017F;acht, &#x017F;ondern die&#x017F;e vielen Blätter, die<lb/>
als &#x017F;ehr dün&#x0303;en Körper ihre Wärme aus-<lb/>
&#x017F;trahlen; &#x017F;ich leicht erkalten u. die freie<lb/>
&#x017F;ie umgebende Wärme entziehen. Hierauf<lb/>
beruht der Grund daß man in warmen<lb/>
Ländern Zb. in Jndien Eis machen kan&#x0303;,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t wen&#x0303; das Termometer 3&#x2013;6° + R.<lb/>
zeigt. Die Dün&#x0303;en porösen Töpfe &#x017F;trahlen<lb/>
gegen den wolkenleeren Him&#x0303;el u. wer-<lb/>
den mehr erkältet, als wen&#x0303; &#x017F;ie bedeckt<lb/>
wären. Da &#x017F;ie 6&#x2013;7° unter der Tempera-<lb/>
tur der Luft &#x017F;ich erkälten, &#x017F;o ent&#x017F;teht<lb/>
Eis, welches um &#x017F;o &#x017F;tärker i&#x017F;t, je ruhiger<lb/>
die Luft gewe&#x017F;en. Davon hängt auch<lb/><note place="left"><hi rendition="#b">Tau.</hi><lb/></note>ab, ob viel oder wenig Tau gefallen.<lb/>
Der&#x017F;elbe i&#x017F;t &#x017F;tets an der obern Seite<lb/>
der Blätter zu finden, nie an der<lb/>
untern. De<subst><del rendition="#ow">r</del><add place="across">n</add></subst> &#x017F;ogenan&#x0303;te<add place="intralinear"><metamark/>n</add> rothe<add place="intralinear"><metamark/>n</add> Mond<lb/>
im Monat Mai fürchten daher die Gärt-<lb/>
ner mit Recht; nicht des Mondes wegen, &#x017F;on-<lb/>
dern des &#x017F;ternenhellen Him&#x0303;els wegen, der der<lb/>
Erde die Wärme entzieht.</p>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283./0300] Jſt der Him̃el wolkenleer, ſo erkaltet ſich die Erdoberfläche viel eher. Eine ſtille ruhige Luft begünſtigt dies viel mehr, deñ um ſo eher kañ durch Ausſtrahlung u. Verdunſtung die Kälte erregt werden, andernfalls treibt der Wind die kleinen Waſſerbläſchen gleich fort. Nach Beſchaffenheit der Oberfläche erkalten ſich beſonders ſehr leicht Körper von größer Düñigkeit, wie Papier, Blätter oft 6–7° R. unter der Temperatur der Atmoſphäre. Metallflächen erkalten ſich etwa nur um 2°, werden zwar leicht er- wärmt, erkalten aber auch wieder ſehr leicht. Es kom̃t wie geſagt hiebei viel auf die Oberfläche an; indem polirte Me- tallgefäße im̃er ſchwer zu erwärmen ſind. Gras erkaltet ſich ebenfalls ſehr leicht u. hierauf beruht auch die Kälte erregende Eigenſchaft der Wälder. Es iſt nicht Schatten allein welcher hier Kälte ver- urſacht, ſondern dieſe vielen Blätter, die als ſehr düñen Körper ihre Wärme aus- ſtrahlen; ſich leicht erkalten u. die freie ſie umgebende Wärme entziehen. Hierauf beruht der Grund daß man in warmen Ländern Zb. in Jndien Eis machen kañ, ſelbſt weñ das Termometer 3–6° + R. zeigt. Die Düñen porösen Töpfe ſtrahlen gegen den wolkenleeren Him̃el u. wer- den mehr erkältet, als weñ ſie bedeckt wären. Da ſie 6–7° unter der Tempera- tur der Luft ſich erkälten, ſo entſteht Eis, welches um ſo ſtärker iſt, je ruhiger die Luft geweſen. Davon hängt auch ab, ob viel oder wenig Tau gefallen. Derſelbe iſt ſtets an der obern Seite der Blätter zu finden, nie an der untern. Den ſogenañten rothen Mond im Monat Mai fürchten daher die Gärt- ner mit Recht; nicht des Mondes wegen, ſon- dern des ſternenhellen Him̃els wegen, der der Erde die Wärme entzieht. Erkältung der Erdoberfl. Tau.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/300
Zitationshilfe: Patzig, Gotthilf: Vorträge über physische Geographie des Freiherrn Alexander von Humbold: gehalten im großen Hörsaale des Universitäts-Gebäudes zu Berlin im Wintersemester 1827/28 vom 3ten Novbr. 1827. bis 26 April 1828. Aus schriftlichen Notizen nach jedem Vortrage zusammengestellt vom Rechnungsrath Gotthilf Friedrich Patzig. Berlin, 1827/28. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 283.. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/patzig_msgermfol841842_1828/300>, abgerufen am 03.12.2024.