Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.]

Bild:
<< vorherige Seite

sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn
ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr
zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter
denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht
Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein
Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende
Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende
Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei
Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie
durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen
mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein
mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden
um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus,
eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar: derdie
Abtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern
übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf-
gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum
zu beobachten, der am Horizonte stand.

Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten
Völkern auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder
verehren den nördlich gelegenen Himalaya, und es geht bei ihnen die

sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn
ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr
zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter
denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht
Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein
Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende
Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende
Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei
Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie
durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen
mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein
mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden
um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus,
eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar: derdie
Abtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern
übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf-
gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum
zu beobachten, der am Horizonte stand.

Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten
Völkern auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder
verehren den nördlich gelegenen Himalaya, und es geht bei ihnen die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="session" n="5">
          <p><pb facs="#f0059" n="28r"/>
sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn<lb/>
ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr<lb/>
zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter<lb/>
denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht<lb/>
Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein<lb/>
Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende<lb/>
Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende<lb/>
Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei<lb/>
Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie<lb/>
durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen<lb/>
mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein<lb/>
mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden<lb/>
um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus,<lb/>
eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar: <subst><del rendition="#ow">der</del><add place="across">die</add></subst><lb/>
Abtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern<lb/>
übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf-<lb/>
gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum<lb/>
zu beobachten, der am Horizonte stand.</p><lb/>
          <p>Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten<lb/><choice><sic>Völker</sic><corr resp="#CT">Völkern</corr></choice> auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder<lb/>
verehren den <choice><orig>nördlich-gelegenen</orig><reg resp="#CT">nördlich gelegenen</reg></choice> Himalaya, und es geht bei ihnen die<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28r/0059] sich bei allen wilden Völkern gleichmässig entwikkelt hat. Ja wenn ich eine Hypothese darüber aufstellen solte, so würde ich mich mehr zu der Meinung hinneigen, nach welcher alle wilden Völker (unter denen ich einige Jahre meines Lebens zugebracht habe) vielleicht Trümmer einer untergegangnen Kultur sind. Einen Urwilden wird kein Reisender je gefunden haben: dagegen findet man allerhand auffallende Kentnisse bei den sogenanten Wilden: sonderbar übereinstimmende Namen der Sternbilder, und dessen, was man im Monde sieht bei Völkern, die in ungeheuren Wäldern leben, und den Himmel nur wie durch einen Schornstein beobachten können: da man doch voraussezen mus, dass diese Ideen auf den grossen Savannen entständen sein mögen: es ist natürlich, dass das einzig Geregelte, was diese Wilden um sich sahen, der Lauf der Sterne, auf sie gewirkt haben mus, eine natürliche Astronomie ist daher gar nicht wunderbar: die Abtheilung des Jahres braucht nicht von einer Nazion zur andern übergegangen zu sein: es war nur nöthig, den wiederkehrenden Auf- gang der Sonne und des Mondes in Bezug auf einen Baum zu beobachten, der am Horizonte stand. Der Wunderglaube an eine Naturweisheit hat sich bei gebildeten Völkern auf eine sehr übereinstimmende Weise gefunden, die Inder verehren den nördlich-gelegenen Himalaya, und es geht bei ihnen die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christian Thomas: Herausgeber
Sandra Balck, Benjamin Fiechter, Christian Thomas: Bearbeiter
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellen der Digitalisierungsvorlage; Bilddigitalisierung

Weitere Informationen:

Abweichungen von den DTA-Richtlinien:

  • I/J: Lautwert transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/59
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Alexander von Humboldt[:] Vorlesungen über physikalische Geographie. Novmbr. 1827 bis April,[!] 1828. Nachgeschrieben von G. Partheÿ. [Berlin], [1827/28]. [= Nachschrift der ‚Kosmos-Vorträge‛ Alexander von Humboldts in der Berliner Universität, 3.11.1827–26.4.1828.], S. 28r. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_msgermqu1711_1828/59>, abgerufen am 27.11.2024.