Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Zustandekommen des Konkordates lebhaft zu verwenden. Zum Danke dafür ward er von Pius VII. säcularisirt, und jener kirchliche Makel des Bannes ihm abgenommen. Als Minister des Auswärtigen war Talleyrand ganz an seiner Stelle. Die deutschen Duodezfürsten, die in Paris versuchten, aus dem Schiffbruche des deutschen Reiches ihre kleinen Planken zu retten, behandelte Talleyrand mit der äußersten wohlverdienten Verachtung. Seine erste Frage an die Gesandten dieser reichsunmittelbaren kleinen Hoheiten war: Apportez-vous de l'argent? Napoleon I. erhielt von ihm die besten Rathschläge, aber sie wurden nicht befolgt. Im Jahre 1808 sagte Talleyrand von dem spanischen Kriege: c'est le commencement de la fin! und im Jahre 1812 von dem russischen Feldzuge: c'est allumer la bougie par les deux bouts! Man nannte ihn auch den diplomatischen Coligny, weil er nach jeder Niederlage neue Kräfte sammelte und neuen Einfluß gewann. Daß ein Gesicht, auf dem der Stempel der niedrigsten Gemeinheit unverkennbar ausgeprägt war, nicht der Spiegel einer hohen, idealen Richtungen zugewendeten Seele sein könne, mußte jedem auf den ersten Blick einleuchten. Es giebt anziehende Häßlichkeiten, die ein Ausdruck von Gutmüthigkeit lindert, Talleyrands Häßlichkeit bekundete ein eingefrornes Gemüth, in dem weder Religion noch Moral, weder Treu noch Glauben, weder Pietät noch Frömmigkeit, weder Gewissen noch Pflichtgefühl einen Platz fanden. Vermöge seiner divinatorischen politischen Spürkraft, und mit der Schärfe eines anatomisch zerlegenden Verstandes begabt, war es ihm gelungen, durch alle Klippen der Revolution hindurch zu schiffen. In der Zustandekommen des Konkordates lebhaft zu verwenden. Zum Danke dafür ward er von Pius VII. säcularisirt, und jener kirchliche Makel des Bannes ihm abgenommen. Als Minister des Auswärtigen war Talleyrand ganz an seiner Stelle. Die deutschen Duodezfürsten, die in Paris versuchten, aus dem Schiffbruche des deutschen Reiches ihre kleinen Planken zu retten, behandelte Talleyrand mit der äußersten wohlverdienten Verachtung. Seine erste Frage an die Gesandten dieser reichsunmittelbaren kleinen Hoheiten war: Apportez-vous de l’argent? Napoléon I. erhielt von ihm die besten Rathschläge, aber sie wurden nicht befolgt. Im Jahre 1808 sagte Talleyrand von dem spanischen Kriege: c’est le commencement de la fin! und im Jahre 1812 von dem russischen Feldzuge: c’est allumer la bougie par les deux bouts! Man nannte ihn auch den diplomatischen Coligny, weil er nach jeder Niederlage neue Kräfte sammelte und neuen Einfluß gewann. Daß ein Gesicht, auf dem der Stempel der niedrigsten Gemeinheit unverkennbar ausgeprägt war, nicht der Spiegel einer hohen, idealen Richtungen zugewendeten Seele sein könne, mußte jedem auf den ersten Blick einleuchten. Es giebt anziehende Häßlichkeiten, die ein Ausdruck von Gutmüthigkeit lindert, Talleyrands Häßlichkeit bekundete ein eingefrornes Gemüth, in dem weder Religion noch Moral, weder Treu noch Glauben, weder Pietät noch Frömmigkeit, weder Gewissen noch Pflichtgefühl einen Platz fanden. Vermöge seiner divinatorischen politischen Spürkraft, und mit der Schärfe eines anatomisch zerlegenden Verstandes begabt, war es ihm gelungen, durch alle Klippen der Revolution hindurch zu schiffen. In der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0507" n="499"/> Zustandekommen des Konkordates lebhaft zu verwenden. Zum Danke dafür ward er von Pius VII. säcularisirt, und jener kirchliche Makel des Bannes ihm abgenommen. </p><lb/> <p>Als Minister des Auswärtigen war Talleyrand ganz an seiner Stelle. Die deutschen Duodezfürsten, die in Paris versuchten, aus dem Schiffbruche des deutschen Reiches ihre kleinen Planken zu retten, behandelte Talleyrand mit der äußersten wohlverdienten Verachtung. Seine erste Frage an die Gesandten dieser reichsunmittelbaren kleinen Hoheiten war: Apportez-vous de l’argent? Napoléon I. erhielt von ihm die besten Rathschläge, aber sie wurden nicht befolgt. Im Jahre 1808 sagte Talleyrand von dem spanischen Kriege: c’est le commencement de la fin! und im Jahre 1812 von dem russischen Feldzuge: c’est allumer la bougie par les deux bouts! Man nannte ihn auch den diplomatischen Coligny, weil er nach jeder Niederlage neue Kräfte sammelte und neuen Einfluß gewann. </p><lb/> <p>Daß ein Gesicht, auf dem der Stempel der niedrigsten Gemeinheit unverkennbar ausgeprägt war, nicht der Spiegel einer hohen, idealen Richtungen zugewendeten Seele sein könne, mußte jedem auf den ersten Blick einleuchten. 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Zustandekommen des Konkordates lebhaft zu verwenden. Zum Danke dafür ward er von Pius VII. säcularisirt, und jener kirchliche Makel des Bannes ihm abgenommen.
Als Minister des Auswärtigen war Talleyrand ganz an seiner Stelle. Die deutschen Duodezfürsten, die in Paris versuchten, aus dem Schiffbruche des deutschen Reiches ihre kleinen Planken zu retten, behandelte Talleyrand mit der äußersten wohlverdienten Verachtung. Seine erste Frage an die Gesandten dieser reichsunmittelbaren kleinen Hoheiten war: Apportez-vous de l’argent? Napoléon I. erhielt von ihm die besten Rathschläge, aber sie wurden nicht befolgt. Im Jahre 1808 sagte Talleyrand von dem spanischen Kriege: c’est le commencement de la fin! und im Jahre 1812 von dem russischen Feldzuge: c’est allumer la bougie par les deux bouts! Man nannte ihn auch den diplomatischen Coligny, weil er nach jeder Niederlage neue Kräfte sammelte und neuen Einfluß gewann.
Daß ein Gesicht, auf dem der Stempel der niedrigsten Gemeinheit unverkennbar ausgeprägt war, nicht der Spiegel einer hohen, idealen Richtungen zugewendeten Seele sein könne, mußte jedem auf den ersten Blick einleuchten. Es giebt anziehende Häßlichkeiten, die ein Ausdruck von Gutmüthigkeit lindert, Talleyrands Häßlichkeit bekundete ein eingefrornes Gemüth, in dem weder Religion noch Moral, weder Treu noch Glauben, weder Pietät noch Frömmigkeit, weder Gewissen noch Pflichtgefühl einen Platz fanden. Vermöge seiner divinatorischen politischen Spürkraft, und mit der Schärfe eines anatomisch zerlegenden Verstandes begabt, war es ihm gelungen, durch alle Klippen der Revolution hindurch zu schiffen. In der
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/507>, abgerufen am 05.07.2024. |