Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].hungswesen, und namentlich über den Unterricht in den alten Sprachen etwas näheres zu erfahren, aber was ich erfuhr, war nicht sehr erbaulich. Auf meine Frage, wie weit das griechische in den Lyceen fortgeführt werde, erwiederte er: ah Monsieur! pour le grec, nous en savons tres-peu! Mit dem lateinischen stand es nicht viel besser; Virgil und Ovid wurden gelesen, aber nach Beendigung der Studien gleich wieder vergessen. Ich bemerkte ihm, für einen Juristen sei doch die Kenntniß der lateinischen Rechtsquellen von der grösten Wichtigkeit. Mit einer abwehrenden Handbewegung sagte er: nous nous en soucions guere, nous avons nos Cinq codes! Nicht wenig überrascht wurde ich, als Clapier mir mittheilte, er habe Schlossers Geschichte in das französische übersetzt, und doch konnte er nicht ein Wort deutsch sprechen. Der andre Reisegefährte, Signor Antonio, ein Apfelsinenhändler aus Nervi bei Genua, ergoß sich in Lobeserhebungen seiner Vaterstadt Genua, deren historische Hauptmomente ihm vollkommen gegenwärtig waren. Hier machte ich den ersten Versuch im italiänisch-sprechen. Als Signor Antonio erfuhr, daß ich es lese und verstehe, so sprang er mit wahrer Lust aus seinem holprigen französisch in das sanft dahin gleitende italiänische über. Es war als ob man von einem Knüppeldamme auf eine gutgehaltene Chaussee gelangte. Als er die Herrlichkeit Genuas gar zu sehr erhob, konnte ich nicht umhin, auf die schlechte Behandlung hinzuweisen, welche die Insel Korsika Jahrhunderte lang von den Genuesen erfahren. Nun gerieth er erst recht in Feuer, versicherte, die Korsen seien nie etwas besseres werth gewesen, und was den letzten berühmten Korsen, den Kaiser Napoleon betreffe, so habe hungswesen, und namentlich über den Unterricht in den alten Sprachen etwas näheres zu erfahren, aber was ich erfuhr, war nicht sehr erbaulich. Auf meine Frage, wie weit das griechische in den Lyceen fortgeführt werde, erwiederte er: ah Monsieur! pour le grec, nous en savons très-peu! Mit dem lateinischen stand es nicht viel besser; Virgil und Ovid wurden gelesen, aber nach Beendigung der Studien gleich wieder vergessen. Ich bemerkte ihm, für einen Juristen sei doch die Kenntniß der lateinischen Rechtsquellen von der grösten Wichtigkeit. Mit einer abwehrenden Handbewegung sagte er: nous nous en soucions guère, nous avons nos Cinq codes! Nicht wenig überrascht wurde ich, als Clapier mir mittheilte, er habe Schlossers Geschichte in das französische übersetzt, und doch konnte er nicht ein Wort deutsch sprechen. Der andre Reisegefährte, Signor Antonio, ein Apfelsinenhändler aus Nervi bei Genua, ergoß sich in Lobeserhebungen seiner Vaterstadt Genua, deren historische Hauptmomente ihm vollkommen gegenwärtig waren. Hier machte ich den ersten Versuch im italiänisch-sprechen. Als Signor Antonio erfuhr, daß ich es lese und verstehe, so sprang er mit wahrer Lust aus seinem holprigen französisch in das sanft dahin gleitende italiänische über. Es war als ob man von einem Knüppeldamme auf eine gutgehaltene Chaussee gelangte. Als er die Herrlichkeit Genuas gar zu sehr erhob, konnte ich nicht umhin, auf die schlechte Behandlung hinzuweisen, welche die Insel Korsika Jahrhunderte lang von den Genuesen erfahren. Nun gerieth er erst recht in Feuer, versicherte, die Korsen seien nie etwas besseres werth gewesen, und was den letzten berühmten Korsen, den Kaiser Napoléon betreffe, so habe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0485" n="477"/> hungswesen, und namentlich über den Unterricht in den alten Sprachen etwas näheres zu erfahren, aber was ich erfuhr, war nicht sehr erbaulich. Auf meine Frage, wie weit das griechische in den Lyceen fortgeführt werde, erwiederte er: ah Monsieur! pour le grec, nous en savons très-peu! Mit dem lateinischen stand es nicht viel besser; Virgil und Ovid wurden gelesen, aber nach Beendigung der Studien gleich wieder vergessen. Ich bemerkte ihm, für einen Juristen sei doch die Kenntniß der lateinischen Rechtsquellen von der grösten Wichtigkeit. Mit einer abwehrenden Handbewegung sagte er: nous nous en soucions guère, nous avons nos Cinq codes! Nicht wenig überrascht wurde ich, als Clapier mir mittheilte, er habe Schlossers Geschichte in das französische übersetzt, und doch konnte er nicht ein Wort deutsch sprechen. </p><lb/> <p>Der andre Reisegefährte, Signor Antonio, ein Apfelsinenhändler aus Nervi bei Genua, ergoß sich in Lobeserhebungen seiner Vaterstadt Genua, deren historische Hauptmomente ihm vollkommen gegenwärtig waren. Hier machte ich den ersten Versuch im italiänisch-sprechen. Als Signor Antonio erfuhr, daß ich es lese und verstehe, so sprang er mit wahrer Lust aus seinem holprigen französisch in das sanft dahin gleitende italiänische über. Es war als ob man von einem Knüppeldamme auf eine gutgehaltene Chaussee gelangte. Als er die Herrlichkeit Genuas gar zu sehr erhob, konnte ich nicht umhin, auf die schlechte Behandlung hinzuweisen, welche die Insel Korsika Jahrhunderte lang von den Genuesen erfahren. Nun gerieth er erst recht in Feuer, versicherte, die Korsen seien nie etwas besseres werth gewesen, und was den letzten berühmten Korsen, den Kaiser Napoléon betreffe, so habe </p> </div> </body> </text> </TEI> [477/0485]
hungswesen, und namentlich über den Unterricht in den alten Sprachen etwas näheres zu erfahren, aber was ich erfuhr, war nicht sehr erbaulich. Auf meine Frage, wie weit das griechische in den Lyceen fortgeführt werde, erwiederte er: ah Monsieur! pour le grec, nous en savons très-peu! Mit dem lateinischen stand es nicht viel besser; Virgil und Ovid wurden gelesen, aber nach Beendigung der Studien gleich wieder vergessen. Ich bemerkte ihm, für einen Juristen sei doch die Kenntniß der lateinischen Rechtsquellen von der grösten Wichtigkeit. Mit einer abwehrenden Handbewegung sagte er: nous nous en soucions guère, nous avons nos Cinq codes! Nicht wenig überrascht wurde ich, als Clapier mir mittheilte, er habe Schlossers Geschichte in das französische übersetzt, und doch konnte er nicht ein Wort deutsch sprechen.
Der andre Reisegefährte, Signor Antonio, ein Apfelsinenhändler aus Nervi bei Genua, ergoß sich in Lobeserhebungen seiner Vaterstadt Genua, deren historische Hauptmomente ihm vollkommen gegenwärtig waren. Hier machte ich den ersten Versuch im italiänisch-sprechen. Als Signor Antonio erfuhr, daß ich es lese und verstehe, so sprang er mit wahrer Lust aus seinem holprigen französisch in das sanft dahin gleitende italiänische über. Es war als ob man von einem Knüppeldamme auf eine gutgehaltene Chaussee gelangte. Als er die Herrlichkeit Genuas gar zu sehr erhob, konnte ich nicht umhin, auf die schlechte Behandlung hinzuweisen, welche die Insel Korsika Jahrhunderte lang von den Genuesen erfahren. Nun gerieth er erst recht in Feuer, versicherte, die Korsen seien nie etwas besseres werth gewesen, und was den letzten berühmten Korsen, den Kaiser Napoléon betreffe, so habe
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/485>, abgerufen am 23.06.2024. |