Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].tuetten und andre Verzierungen, das Mauerwerk zeigte überall Abbröckelungen und Risse, die Besteigung des einen Thurmes war nicht ohne Beschwerde und Gefahr, der oberste Mauerkranz befand sich in schadhaftem Zustande. Arnold zeigte mir, daß es die Absicht des Baumeisters gewesen sei, auf jede Platform noch eine achtseitige Pyramide (fleche) zu setzen, doch auch so machten die beiden stumpfen Thürme eine befriedigende Wirkung. Die Aussicht von hier oben gewährte einen weiten nebligen Umblick über das schwarze Häusermeer von Paris; den Horizont begränzten flache unbedeutende Hügelreihen als Ränder des großen Kreidebeckens, in dessen Mitte die Stadt liegt. Arnold wußte auch, daß die Kirche in S. Denis, nördlich von Paris, im gothischen Style erbaut sei; sie befand sich aber in arger Zerstörung, da man im Jahre 1789 und 1790 die alten Gräber der französischen Könige von Grund aus verwüstet hatte. Im folgenden Jahre besuchte ich den Arnold in Strasburg, und hatte die Freude, ihn als Architekten an dem von ihm so hoch verehrten Münster angestellt zu finden. Dieses einzige Bauwerk wurde nun einem besonderen Studium unterworfen; ich erinnre mich, daß wir an einem Tage dreimal hinaufstiegen, zweimal bis auf die Platform, das dritte Mal bis zur Spitze. Ein andrer von Ganzels Freunden war der junge Cuvier, ein Kandidat der protestantischen Theologie. Sein Oheim, der große Naturforscher, dem eine geräumige Amtswohnung im Jardin des plantes zu Gebote stand, hatte dem Neffen ein Zimmer eingeräumt und ihn ganz in seine Familie aufgenommen. tuetten und andre Verzierungen, das Mauerwerk zeigte überall Abbröckelungen und Risse, die Besteigung des einen Thurmes war nicht ohne Beschwerde und Gefahr, der oberste Mauerkranz befand sich in schadhaftem Zustande. Arnold zeigte mir, daß es die Absicht des Baumeisters gewesen sei, auf jede Platform noch eine achtseitige Pyramide (flèche) zu setzen, doch auch so machten die beiden stumpfen Thürme eine befriedigende Wirkung. Die Aussicht von hier oben gewährte einen weiten nebligen Umblick über das schwarze Häusermeer von Paris; den Horizont begränzten flache unbedeutende Hügelreihen als Ränder des großen Kreidebeckens, in dessen Mitte die Stadt liegt. Arnold wußte auch, daß die Kirche in S. Denis, nördlich von Paris, im gothischen Style erbaut sei; sie befand sich aber in arger Zerstörung, da man im Jahre 1789 und 1790 die alten Gräber der französischen Könige von Grund aus verwüstet hatte. Im folgenden Jahre besuchte ich den Arnold in Strasburg, und hatte die Freude, ihn als Architekten an dem von ihm so hoch verehrten Münster angestellt zu finden. Dieses einzige Bauwerk wurde nun einem besonderen Studium unterworfen; ich erinnre mich, daß wir an einem Tage dreimal hinaufstiegen, zweimal bis auf die Platform, das dritte Mal bis zur Spitze. Ein andrer von Ganzels Freunden war der junge Cuvier, ein Kandidat der protestantischen Theologie. Sein Oheim, der große Naturforscher, dem eine geräumige Amtswohnung im Jardin des plantes zu Gebote stand, hatte dem Neffen ein Zimmer eingeräumt und ihn ganz in seine Familie aufgenommen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0451" n="443"/> tuetten und andre Verzierungen, das Mauerwerk zeigte überall Abbröckelungen und Risse, die Besteigung des einen Thurmes war nicht ohne Beschwerde und Gefahr, der oberste Mauerkranz befand sich in schadhaftem Zustande. Arnold zeigte mir, daß es die Absicht des Baumeisters gewesen sei, auf jede Platform noch eine achtseitige Pyramide (flèche) zu setzen, doch auch so machten die beiden stumpfen Thürme eine befriedigende Wirkung. </p><lb/> <p>Die Aussicht von hier oben gewährte einen weiten nebligen Umblick über das schwarze Häusermeer von Paris; den Horizont begränzten flache unbedeutende Hügelreihen als Ränder des großen Kreidebeckens, in dessen Mitte die Stadt liegt. Arnold wußte auch, daß die Kirche in S. Denis, nördlich von Paris, im gothischen Style erbaut sei; sie befand sich aber in arger Zerstörung, da man im Jahre 1789 und 1790 die alten Gräber der französischen Könige von Grund aus verwüstet hatte. </p><lb/> <p>Im folgenden Jahre besuchte ich den Arnold in Strasburg, und hatte die Freude, ihn als Architekten an dem von ihm so hoch verehrten Münster angestellt zu finden. Dieses einzige Bauwerk wurde nun einem besonderen Studium unterworfen; ich erinnre mich, daß wir an einem Tage dreimal hinaufstiegen, zweimal bis auf die Platform, das dritte Mal bis zur Spitze. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ein andrer von Ganzels Freunden war der junge Cuvier, ein Kandidat der protestantischen Theologie. Sein Oheim, der große Naturforscher, dem eine geräumige Amtswohnung im Jardin des plantes zu Gebote stand, hatte dem Neffen ein Zimmer eingeräumt und ihn ganz in seine Familie aufgenommen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [443/0451]
tuetten und andre Verzierungen, das Mauerwerk zeigte überall Abbröckelungen und Risse, die Besteigung des einen Thurmes war nicht ohne Beschwerde und Gefahr, der oberste Mauerkranz befand sich in schadhaftem Zustande. Arnold zeigte mir, daß es die Absicht des Baumeisters gewesen sei, auf jede Platform noch eine achtseitige Pyramide (flèche) zu setzen, doch auch so machten die beiden stumpfen Thürme eine befriedigende Wirkung.
Die Aussicht von hier oben gewährte einen weiten nebligen Umblick über das schwarze Häusermeer von Paris; den Horizont begränzten flache unbedeutende Hügelreihen als Ränder des großen Kreidebeckens, in dessen Mitte die Stadt liegt. Arnold wußte auch, daß die Kirche in S. Denis, nördlich von Paris, im gothischen Style erbaut sei; sie befand sich aber in arger Zerstörung, da man im Jahre 1789 und 1790 die alten Gräber der französischen Könige von Grund aus verwüstet hatte.
Im folgenden Jahre besuchte ich den Arnold in Strasburg, und hatte die Freude, ihn als Architekten an dem von ihm so hoch verehrten Münster angestellt zu finden. Dieses einzige Bauwerk wurde nun einem besonderen Studium unterworfen; ich erinnre mich, daß wir an einem Tage dreimal hinaufstiegen, zweimal bis auf die Platform, das dritte Mal bis zur Spitze.
Ein andrer von Ganzels Freunden war der junge Cuvier, ein Kandidat der protestantischen Theologie. Sein Oheim, der große Naturforscher, dem eine geräumige Amtswohnung im Jardin des plantes zu Gebote stand, hatte dem Neffen ein Zimmer eingeräumt und ihn ganz in seine Familie aufgenommen.
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