Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].in den Abendsalon nehmen dürfe, ward ihm unter der Bedingung gestattet, daß der Pudel mit dem Schooßhündchen der Herzogin von Sagan, einem ächten King Charles, gute Freundschaft halte. Den Thee habe Jean Paul als ein dünnes fremdländisches Getränk gänzlich verschmäht, dagegen habe er sich an dem guten Doppelbiere aus Gera erlabt. Jean Pauls Unterhaltung sei immer geistvoll und anregend gewesen, aber nicht frei von einer gewissen Schwerfälligkeit des Ausdruckes, deren Grund mehr in Gedankenüberfülle als in mangelnder Sprachbeherrschung gelegen. Abends habe er gern vorgelesen, aber nur von seinen eigenen Sachen, und weil ihm ohne Zweifel bekannt gewesen, daß man seinen Schriften öfter Dunkelheit vorgeworfen, wegen der bizarren Zusammenstellungen und wegen der kecken Gedankensprünge, so habe er sich beim Lesen bemüht, alles durch Erklärungen deutlich zu machen. Diese Erklärungen seien indessen manchmal auf eine gar zu geringe Fassungskraft der Zuhörer berechnet gewesen: ein goldbeschwingter Engel, erläuterte er, ist ein Engel mit goldnen Flügeln, die rosige Morgendämmerungstunde ist die Zeit des Tagesanbruches u. s. w. Unter den Zuhörern befanden sich, auch als Gäste des Hauses, der [spätere] Konsistorialrath Marheineke aus Berlin und der berühmte Kriminalist, Präsident von Feuerbach aus Ansbach, beide weder von Jean Pauls Schriften eingenommen, noch von seinen allzu deutlichen Erklärungen. Sie gingen eines Abends mit lautknarrenden Stiefeln im Saale auf und ab. Da unterbrach Jean Paul seinen Vortrag, indem er sagte: er habe wohl schon von vierhändigen Sonaten gehört, aber noch nie von vierfüßigen. Fräulein Emilie, die Gesellschaftsdame der Herzogin in den Abendsalon nehmen dürfe, ward ihm unter der Bedingung gestattet, daß der Pudel mit dem Schooßhündchen der Herzogin von Sagan, einem ächten King Charles, gute Freundschaft halte. Den Thee habe Jean Paul als ein dünnes fremdländisches Getränk gänzlich verschmäht, dagegen habe er sich an dem guten Doppelbiere aus Gera erlabt. Jean Pauls Unterhaltung sei immer geistvoll und anregend gewesen, aber nicht frei von einer gewissen Schwerfälligkeit des Ausdruckes, deren Grund mehr in Gedankenüberfülle als in mangelnder Sprachbeherrschung gelegen. Abends habe er gern vorgelesen, aber nur von seinen eigenen Sachen, und weil ihm ohne Zweifel bekannt gewesen, daß man seinen Schriften öfter Dunkelheit vorgeworfen, wegen der bizarren Zusammenstellungen und wegen der kecken Gedankensprünge, so habe er sich beim Lesen bemüht, alles durch Erklärungen deutlich zu machen. Diese Erklärungen seien indessen manchmal auf eine gar zu geringe Fassungskraft der Zuhörer berechnet gewesen: ein goldbeschwingter Engel, erläuterte er, ist ein Engel mit goldnen Flügeln, die rosige Morgendämmerungstunde ist die Zeit des Tagesanbruches u. s. w. Unter den Zuhörern befanden sich, auch als Gäste des Hauses, der [spätere] Konsistorialrath Marheineke aus Berlin und der berühmte Kriminalist, Präsident von Feuerbach aus Ansbach, beide weder von Jean Pauls Schriften eingenommen, noch von seinen allzu deutlichen Erklärungen. Sie gingen eines Abends mit lautknarrenden Stiefeln im Saale auf und ab. Da unterbrach Jean Paul seinen Vortrag, indem er sagte: er habe wohl schon von vierhändigen Sonaten gehört, aber noch nie von vierfüßigen. Fräulein Emilie, die Gesellschaftsdame der Herzogin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0402" n="394"/> in den Abendsalon nehmen dürfe, ward ihm unter der Bedingung gestattet, daß der Pudel mit dem Schooßhündchen der Herzogin von Sagan, einem ächten King Charles, gute Freundschaft halte. Den Thee habe Jean Paul als ein dünnes fremdländisches Getränk gänzlich verschmäht, dagegen habe er sich an dem guten Doppelbiere aus Gera erlabt. Jean Pauls Unterhaltung sei immer geistvoll und anregend gewesen, aber nicht frei von einer gewissen Schwerfälligkeit des Ausdruckes, deren Grund mehr in Gedankenüberfülle als in mangelnder Sprachbeherrschung gelegen. Abends habe er gern vorgelesen, aber nur von seinen eigenen Sachen, und weil ihm ohne Zweifel bekannt gewesen, daß man seinen Schriften öfter Dunkelheit vorgeworfen, wegen der bizarren Zusammenstellungen und wegen der kecken Gedankensprünge, so habe er sich beim Lesen bemüht, alles durch Erklärungen deutlich zu machen. </p><lb/> <p>Diese Erklärungen seien indessen manchmal auf eine gar zu geringe Fassungskraft der Zuhörer berechnet gewesen: ein goldbeschwingter Engel, erläuterte er, ist ein Engel mit goldnen Flügeln, die rosige Morgendämmerungstunde ist die Zeit des Tagesanbruches u. s. w. 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in den Abendsalon nehmen dürfe, ward ihm unter der Bedingung gestattet, daß der Pudel mit dem Schooßhündchen der Herzogin von Sagan, einem ächten King Charles, gute Freundschaft halte. Den Thee habe Jean Paul als ein dünnes fremdländisches Getränk gänzlich verschmäht, dagegen habe er sich an dem guten Doppelbiere aus Gera erlabt. Jean Pauls Unterhaltung sei immer geistvoll und anregend gewesen, aber nicht frei von einer gewissen Schwerfälligkeit des Ausdruckes, deren Grund mehr in Gedankenüberfülle als in mangelnder Sprachbeherrschung gelegen. Abends habe er gern vorgelesen, aber nur von seinen eigenen Sachen, und weil ihm ohne Zweifel bekannt gewesen, daß man seinen Schriften öfter Dunkelheit vorgeworfen, wegen der bizarren Zusammenstellungen und wegen der kecken Gedankensprünge, so habe er sich beim Lesen bemüht, alles durch Erklärungen deutlich zu machen.
Diese Erklärungen seien indessen manchmal auf eine gar zu geringe Fassungskraft der Zuhörer berechnet gewesen: ein goldbeschwingter Engel, erläuterte er, ist ein Engel mit goldnen Flügeln, die rosige Morgendämmerungstunde ist die Zeit des Tagesanbruches u. s. w. Unter den Zuhörern befanden sich, auch als Gäste des Hauses, der spätere Konsistorialrath Marheineke aus Berlin und der berühmte Kriminalist, Präsident von Feuerbach aus Ansbach, beide weder von Jean Pauls Schriften eingenommen, noch von seinen allzu deutlichen Erklärungen. Sie gingen eines Abends mit lautknarrenden Stiefeln im Saale auf und ab. Da unterbrach Jean Paul seinen Vortrag, indem er sagte: er habe wohl schon von vierhändigen Sonaten gehört, aber noch nie von vierfüßigen.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/402>, abgerufen am 16.07.2024. |