Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

Bild:
<< vorherige Seite

abhangenden schon angebräunten Trauben. Noch fühle ich bei dieser Erinnerung den Hauch des schönen Neckarthales.

Der Termin des Examens rückte immer näher, und Paul mußte mehr als einmal meine aufkeimenden Zweifel beschwichtigen. Er führte mir zu Gemüthe, wir hätten ja im Winter den ganzen Herodot durchgelesen, darauf den Aeschylus, und für die Archäologie manche der von Creuzer angeführten Kupferwerke auf der Bibliothek durchgesehn; meine Millinübersetzung sei längst nach Berlin abgegangen, und vermuthlich jetzt schon im Drucke begriffen; das Gebiet der Geschichte sei zwar unendlich groß, aber Schlosser werde ja ein Einsehn haben, und nur nach dem fragen, was wir bei ihm gehört.

So kam es denn auch wirklich, wie er vorausgesagt. Creuzer und Schlosser, unsre einzigen Examinatoren, hatten uns hinlänglich kennen gelernt, um zu wissen, was sie von uns verlangen konnten. Sie fragten daher, mit einigen Ausnahmen, nur solche Sachen, die wir wußten, und so wurden wir beide rite zu Doctoren der Philosophie promovirt. Dies geschah am 12. August 1820, und Tages darauf kamen meine Aeltern in Heidelberg an; die Ueberraschung war also vollständig gelungen.

Wir verlebten nun einige sehr heitre Wochen, in denen ich den Cicerone für Heidelberg und die Umgegend machte. Welch reines Glück gewährten die Spaziergänge, selbander mit meiner Schwester, durch die Ruinen des Schlosses und nach dem Wolfsbrunnen! Tausend kleine Umstände aus ihren Briefen waren zu besprechen, zu ergänzen, zu erklären; die nächste Vergangenheit ward noch einmal im traulichen Wechselgespräche durchgelebt, und die grandiose

abhangenden schon angebräunten Trauben. Noch fühle ich bei dieser Erinnerung den Hauch des schönen Neckarthales.

Der Termin des Examens rückte immer näher, und Paul mußte mehr als einmal meine aufkeimenden Zweifel beschwichtigen. Er führte mir zu Gemüthe, wir hätten ja im Winter den ganzen Herodot durchgelesen, darauf den Aeschylus, und für die Archäologie manche der von Creuzer angeführten Kupferwerke auf der Bibliothek durchgesehn; meine Millinübersetzung sei längst nach Berlin abgegangen, und vermuthlich jetzt schon im Drucke begriffen; das Gebiet der Geschichte sei zwar unendlich groß, aber Schlosser werde ja ein Einsehn haben, und nur nach dem fragen, was wir bei ihm gehört.

So kam es denn auch wirklich, wie er vorausgesagt. Creuzer und Schlosser, unsre einzigen Examinatoren, hatten uns hinlänglich kennen gelernt, um zu wissen, was sie von uns verlangen konnten. Sie fragten daher, mit einigen Ausnahmen, nur solche Sachen, die wir wußten, und so wurden wir beide rite zu Doctoren der Philosophie promovirt. Dies geschah am 12. August 1820, und Tages darauf kamen meine Aeltern in Heidelberg an; die Ueberraschung war also vollständig gelungen.

Wir verlebten nun einige sehr heitre Wochen, in denen ich den Cicerone für Heidelberg und die Umgegend machte. Welch reines Glück gewährten die Spaziergänge, selbander mit meiner Schwester, durch die Ruinen des Schlosses und nach dem Wolfsbrunnen! Tausend kleine Umstände aus ihren Briefen waren zu besprechen, zu ergänzen, zu erklären; die nächste Vergangenheit ward noch einmal im traulichen Wechselgespräche durchgelebt, und die grandiose

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0392" n="384"/>
abhangenden schon angebräunten Trauben. Noch fühle ich bei dieser Erinnerung den Hauch des schönen Neckarthales. </p><lb/>
        <p>Der Termin des Examens rückte immer näher, und Paul mußte mehr als einmal meine aufkeimenden Zweifel beschwichtigen. Er führte mir zu Gemüthe, wir hätten ja im Winter den ganzen Herodot durchgelesen, darauf den Aeschylus, und für die Archäologie manche der von Creuzer angeführten Kupferwerke auf der Bibliothek durchgesehn; meine Millinübersetzung sei längst nach Berlin abgegangen, und vermuthlich jetzt schon im Drucke begriffen; das Gebiet der Geschichte sei zwar unendlich groß, aber Schlosser werde ja ein Einsehn haben, und nur nach dem fragen, was wir bei ihm gehört. </p><lb/>
        <p>So kam es denn auch wirklich, wie er vorausgesagt. Creuzer und Schlosser, unsre einzigen Examinatoren, hatten uns hinlänglich kennen gelernt, um zu wissen, was sie von uns verlangen konnten. Sie fragten daher, mit einigen Ausnahmen, nur solche Sachen, die wir wußten, und so wurden wir beide rite zu Doctoren der Philosophie promovirt. Dies geschah am 12. August 1820, und Tages darauf kamen meine Aeltern in Heidelberg an; die Ueberraschung war also vollständig gelungen. </p><lb/>
        <p>Wir verlebten nun einige sehr heitre Wochen, in denen ich den Cicerone für Heidelberg und die Umgegend machte. Welch reines Glück gewährten die Spaziergänge, selbander mit meiner Schwester, durch die Ruinen des Schlosses und nach dem Wolfsbrunnen! Tausend kleine Umstände aus ihren Briefen waren zu besprechen, zu ergänzen, zu erklären; die nächste Vergangenheit ward noch einmal im traulichen Wechselgespräche durchgelebt, und die grandiose
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0392] abhangenden schon angebräunten Trauben. Noch fühle ich bei dieser Erinnerung den Hauch des schönen Neckarthales. Der Termin des Examens rückte immer näher, und Paul mußte mehr als einmal meine aufkeimenden Zweifel beschwichtigen. Er führte mir zu Gemüthe, wir hätten ja im Winter den ganzen Herodot durchgelesen, darauf den Aeschylus, und für die Archäologie manche der von Creuzer angeführten Kupferwerke auf der Bibliothek durchgesehn; meine Millinübersetzung sei längst nach Berlin abgegangen, und vermuthlich jetzt schon im Drucke begriffen; das Gebiet der Geschichte sei zwar unendlich groß, aber Schlosser werde ja ein Einsehn haben, und nur nach dem fragen, was wir bei ihm gehört. So kam es denn auch wirklich, wie er vorausgesagt. Creuzer und Schlosser, unsre einzigen Examinatoren, hatten uns hinlänglich kennen gelernt, um zu wissen, was sie von uns verlangen konnten. Sie fragten daher, mit einigen Ausnahmen, nur solche Sachen, die wir wußten, und so wurden wir beide rite zu Doctoren der Philosophie promovirt. Dies geschah am 12. August 1820, und Tages darauf kamen meine Aeltern in Heidelberg an; die Ueberraschung war also vollständig gelungen. Wir verlebten nun einige sehr heitre Wochen, in denen ich den Cicerone für Heidelberg und die Umgegend machte. Welch reines Glück gewährten die Spaziergänge, selbander mit meiner Schwester, durch die Ruinen des Schlosses und nach dem Wolfsbrunnen! Tausend kleine Umstände aus ihren Briefen waren zu besprechen, zu ergänzen, zu erklären; die nächste Vergangenheit ward noch einmal im traulichen Wechselgespräche durchgelebt, und die grandiose

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wolfgang Virmond: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-01-07T13:04:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-07T13:04:32Z)
Staatsbibliothek zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Av 4887-1) (2014-01-07T13:04:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/392
Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/392>, abgerufen am 11.06.2024.