Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].Namen trägt, und eine unermessene Aussicht über die flache Rheinebne, so wie auf die Vogesen und den Schwarzwald gewährt. In Speyer erfuhr ich ein bibliographisches Herzeleid, das ich nie vergessen werde. Wir besuchten bei Regenwetter den im ärgsten Verfalle liegenden Dom, der einen trostlosen Anblick darbot. König Ludwig I. hatte ihn noch nicht mit hülfreicher Hand neu aufgerichtet. Die von den Franzosen barbarisch zerstörten Kaisergräber klafften zum Theil noch mit geborstenen Steinplatten, aller Schmuck der Wände war vernichtet, alles kostbare Geräth ausgeraubt. Zufällig fragte ich den Führer nach alten Missalen; er erwiederte, die letzten seien ganz vor kurzem an einen Buchbinder verkauft, der das starke Pergament gut bezahlt habe. Mit klopfendem Herzen ließ ich mir die Wohnung des Buchbinders aufs genauste beschreiben, und eilte sogleich im ärgsten Regen dahin. Unterwegs malte ich mir die angenehme Möglichkeit aus, daß hier vielleicht ein werthvoller Palimpsest zu retten sei; aber vergebliche Hoffnung! die Missalen waren bereits alle verbraucht. In Mannheim kamen wir zur rechten Zeit an, um die Aufführung des Messias ohne Probe mitzumachen. Aber kurz vor dem Anfange ergab sich für Rodenstein und mich ein eigenthümliches Misgeschick. Das Schloß meines Cellokastens, durch das Rütteln verdorben, ging nicht auf, und Rodenstein hatte sich beim Aussteigen aus dem Wagen die Hand so arg verletzt, daß er nicht spielen konnte. Natürlich bot er mir nun sein Instrument an, und mir blieb nichts übrig, als auf dem fremden Instrumente, so gut es gehn wollte, fortzukommen. Das Orchester erhob sich sehr Namen trägt, und eine unermessene Aussicht über die flache Rheinebne, so wie auf die Vogesen und den Schwarzwald gewährt. In Speyer erfuhr ich ein bibliographisches Herzeleid, das ich nie vergessen werde. Wir besuchten bei Regenwetter den im ärgsten Verfalle liegenden Dom, der einen trostlosen Anblick darbot. König Ludwig I. hatte ihn noch nicht mit hülfreicher Hand neu aufgerichtet. Die von den Franzosen barbarisch zerstörten Kaisergräber klafften zum Theil noch mit geborstenen Steinplatten, aller Schmuck der Wände war vernichtet, alles kostbare Geräth ausgeraubt. Zufällig fragte ich den Führer nach alten Missalen; er erwiederte, die letzten seien ganz vor kurzem an einen Buchbinder verkauft, der das starke Pergament gut bezahlt habe. Mit klopfendem Herzen ließ ich mir die Wohnung des Buchbinders aufs genauste beschreiben, und eilte sogleich im ärgsten Regen dahin. Unterwegs malte ich mir die angenehme Möglichkeit aus, daß hier vielleicht ein werthvoller Palimpsest zu retten sei; aber vergebliche Hoffnung! die Missalen waren bereits alle verbraucht. In Mannheim kamen wir zur rechten Zeit an, um die Aufführung des Messias ohne Probe mitzumachen. Aber kurz vor dem Anfange ergab sich für Rodenstein und mich ein eigenthümliches Misgeschick. Das Schloß meines Cellokastens, durch das Rütteln verdorben, ging nicht auf, und Rodenstein hatte sich beim Aussteigen aus dem Wagen die Hand so arg verletzt, daß er nicht spielen konnte. Natürlich bot er mir nun sein Instrument an, und mir blieb nichts übrig, als auf dem fremden Instrumente, so gut es gehn wollte, fortzukommen. Das Orchester erhob sich sehr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0381" n="373"/> Namen trägt, und eine unermessene Aussicht über die flache Rheinebne, so wie auf die Vogesen und den Schwarzwald gewährt. </p><lb/> <p>In Speyer erfuhr ich ein bibliographisches Herzeleid, das ich nie vergessen werde. Wir besuchten bei Regenwetter den im ärgsten Verfalle liegenden Dom, der einen trostlosen Anblick darbot. König Ludwig I. hatte ihn noch nicht mit hülfreicher Hand neu aufgerichtet. Die von den Franzosen barbarisch zerstörten Kaisergräber klafften zum Theil noch mit geborstenen Steinplatten, aller Schmuck der Wände war vernichtet, alles kostbare Geräth ausgeraubt. Zufällig fragte ich den Führer nach alten Missalen; er erwiederte, die letzten seien ganz vor kurzem an einen Buchbinder verkauft, der das starke Pergament gut bezahlt habe. Mit klopfendem Herzen ließ ich mir die Wohnung des Buchbinders aufs genauste beschreiben, und eilte sogleich im ärgsten Regen dahin. Unterwegs malte ich mir die angenehme Möglichkeit aus, daß hier vielleicht ein werthvoller Palimpsest zu retten sei; aber vergebliche Hoffnung! die Missalen waren bereits alle verbraucht. </p><lb/> <p>In Mannheim kamen wir zur rechten Zeit an, um die Aufführung des Messias ohne Probe mitzumachen. Aber kurz vor dem Anfange ergab sich für Rodenstein und mich ein eigenthümliches Misgeschick. Das Schloß meines Cellokastens, durch das Rütteln verdorben, ging nicht auf, und Rodenstein hatte sich beim Aussteigen aus dem Wagen die Hand so arg verletzt, daß er nicht spielen konnte. Natürlich bot er mir nun sein Instrument an, und mir blieb nichts übrig, als auf dem fremden Instrumente, so gut es gehn wollte, fortzukommen. Das Orchester erhob sich sehr </p> </div> </body> </text> </TEI> [373/0381]
Namen trägt, und eine unermessene Aussicht über die flache Rheinebne, so wie auf die Vogesen und den Schwarzwald gewährt.
In Speyer erfuhr ich ein bibliographisches Herzeleid, das ich nie vergessen werde. Wir besuchten bei Regenwetter den im ärgsten Verfalle liegenden Dom, der einen trostlosen Anblick darbot. König Ludwig I. hatte ihn noch nicht mit hülfreicher Hand neu aufgerichtet. Die von den Franzosen barbarisch zerstörten Kaisergräber klafften zum Theil noch mit geborstenen Steinplatten, aller Schmuck der Wände war vernichtet, alles kostbare Geräth ausgeraubt. Zufällig fragte ich den Führer nach alten Missalen; er erwiederte, die letzten seien ganz vor kurzem an einen Buchbinder verkauft, der das starke Pergament gut bezahlt habe. Mit klopfendem Herzen ließ ich mir die Wohnung des Buchbinders aufs genauste beschreiben, und eilte sogleich im ärgsten Regen dahin. Unterwegs malte ich mir die angenehme Möglichkeit aus, daß hier vielleicht ein werthvoller Palimpsest zu retten sei; aber vergebliche Hoffnung! die Missalen waren bereits alle verbraucht.
In Mannheim kamen wir zur rechten Zeit an, um die Aufführung des Messias ohne Probe mitzumachen. Aber kurz vor dem Anfange ergab sich für Rodenstein und mich ein eigenthümliches Misgeschick. Das Schloß meines Cellokastens, durch das Rütteln verdorben, ging nicht auf, und Rodenstein hatte sich beim Aussteigen aus dem Wagen die Hand so arg verletzt, daß er nicht spielen konnte. Natürlich bot er mir nun sein Instrument an, und mir blieb nichts übrig, als auf dem fremden Instrumente, so gut es gehn wollte, fortzukommen. Das Orchester erhob sich sehr
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